Zu Besuch bei den Knackis
Renate Gottschewski (64) besucht seit fünf Jahren ehrenamtlich Inhaftierte in der "Krümmede", der Bochumer Justizvollzugsanstalt.© Achim Pohl | DiCV Essen
Caritas in NRW: Wie sind Sie dazu gekommen, dieses Ehrenamt in der JVA in Bochum aufzunehmen?
Also, wie immer im Leben sind es Zufälle. Ich bin eingeladen worden vom katholischen Seelsorger, hier in einer Reihe einen Vortrag zu halten. Und dann hat mich ein bisschen die Abenteuerlust gepackt, diesen Ort näher zu erkunden. Der zweite Ansatzpunkt ist: Ich war Schöffin. Und so, wie wir Bürgerinnen und Bürger die Verantwortung haben, beim Strafen dabei zu sein, haben wir auch die Verantwortung für eine gelingende Versöhnung.
Caritas in NRW: Sie besuchen Gefangene und reden mit ihnen. Was sind so die Themen?
Mich beeindruckt die Verschiedenartigkeit der Gespräche. Die Offenheit, mit der die Inhaftierten über ihre Anliegen sprechen. Sei es jetzt, dass sie sich über etwas freuen oder dass sie traurig sind. Es sind schon sehr persönliche Dinge, insbesondere in Einzelgesprächen. Also zum Beispiel: Was ist Liebe, was ist der Sinn des Lebens?
Renate Gottschewski (64) besucht seit fünf Jahren ehrenamtlich Inhaftierte in der "Krümmede", der Bochumer Justizvollzugsanstalt.© Achim Pohl | DiCV Essen
Caritas in NRW: Man denkt ja schnell: Im Gefängnis, da sitzen die harten Jungs, und es gibt wenig Raum für diese zarten Themen, die Sie gerade angesprochen haben. Aber das findet auch statt?
Ja, natürlich! Es wäre auch ein Klischee zu behaupten, je tätowierter und je härter das Äußere, umso zarter das Innere. So ist es nicht. Der Vorteil dieses Ehrenamts ist, dass wir von außen kommen, und das schafft eine vertrauliche Situation.
Caritas in NRW: Spielt auch das Thema Versöhnung eine Rolle in Ihren Gesprächen?
Ja. Versöhnung kann ja auch heißen, dass ich selber eine Situation, die nicht ausgesöhnt ist, aushalten kann. Zu lernen, diesen Konflikt auszuhalten, zu akzeptieren, dass es eben so ist, wie es ist, und mit dieser unbefriedigenden Situation trotzdem in Frieden zu leben.
Caritas in NRW: Wenn Sie Heldenkräfte hätten, wie würden Sie diese nutzen?
… wie Lucky Luke schneller denken, als die Nerven hüpfen können, und schneller gute Taten vollbringen, als die Sonne Schatten werfen kann. Nein, im Ernst: Ich würde meine Heldenkraft dafür einsetzen, dass jedem Kind das Recht zusteht, geliebt zu werden. Wenn ich Heldenkräfte hätte, würde ich Kinder vor Lieblosigkeit retten.
Fragen von Nicola van Bonn.
Die Episode 92 unseres Podcasts "CARItalks" mit Renate Gottschewski finden Sie hier.