Vom Geflüchteten zum Sozialarbeiter
Eliyas Husseini vor dem Haupteingang des Caritas-Kinderdorfes Bottrop.© Christian Müller
Der Weg aus dem Iran war steinig. Er führte Eliyas, seinen 17-jährigen Bruder und die knapp 18-jährige Schwester tagelang zu Fuß durch die Berge, weiter auf Lastzügen und auch per Anhalter nach Deutschland. Im Iran waren sie als Kinder afghanischer Flüchtlinge nicht erwünscht und litten unter ständigen Repressalien. Die Geschwister landeten in Passau, lebten später in München und Bielefeld. Es gelang ihnen, dass die junge Erwachsene als Vormundin agieren durfte. Im Dezember 2014 zogen sie zu dritt nach Bottrop. Die Fluchterfahrung immer im Gepäck.
"Nach kurzer Zeit hat meine Schwester gemerkt, dass sie es nicht schafft", erzählt Eliyas Husseini. Die Verantwortung für die Brüder in einem Land, dessen Sprache sie noch nicht spricht, überfordert die gerade mal 18-Jährige. Das Jugendamt Bottrop hilft und findet für die minderjährigen Brüder den Platz im Caritas-Kinderdorf. Dort bleiben sie, bis 2015 auch die Eltern nachkommen.
Im Caritas-Kinderdorf stellt sich das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit ein, das er auch heute noch empfindet. "Alles war am Anfang fremd", erinnert sich Husseini, "aber zum Glück gab es hier einen Mitbewohner, der Türkisch sprach, ich kann auch ein bisschen Türkisch, so konnten wir uns verständigen." Schnell lernt er die deutsche Sprache, kann Vertrauen zu den Erziehern aufbauen. "Sie haben dafür gesorgt, dass wir zur Schule gehen, und haben uns bei den Hausaufgaben geholfen. Wir haben viel gesprochen und diskutiert, manchmal auch nur über Quatsch." Aber jeder Satz hilft, die deutsche Sprache zu erlernen.
Zielstrebig und beharrlich
Nach zwei Jahren in Deutschland macht er seinen Realschulabschluss. Nicht immer ist es einfach in der Schule. "Ich habe viel Ausgrenzung erfahren, wurde in der Schule teilweise nicht mit meinem Namen angesprochen, sondern war der Flüchtling." Nach der elften Klasse wird er gemobbt und diskriminiert und verlässt die Schule. Er setzt für ein Jahr aus. Ein engagierter Lehrer hatte ihm zuvor versichert, dass er wiederkommen könne. Und er kommt wieder und macht sein Fachabitur.
Er schließt den Bundesfreiwilligendienst an und studiert anschließend Soziale Arbeit mit dem Ziel, als Pädagoge für Kinder da zu sein. Der Berufswunsch entwickelte sich während der Zeit im Kinderdorf. "Ich habe durch die Erzieher gesehen, wie produktiv der Beruf ist, wie wertvoll es ist, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten." Das Pflichtpraktikum des Studiums absolviert er im Caritas-Kinderdorf. "Die Rückmeldungen aus der Gruppe waren so gut, sie wollten ihn gleich behalten", schildert Einrichtungsleiter Thomas Evers Eliyas’ Einsatz und verpflichtete ihn prompt als studentische Hilfskraft. "Viele machen ein Praktikum bei uns, aber längst nicht alle bekommen einen Job", betont Evers. "Die Mischung aus Beharrlichkeit und Zugewandtheit hat uns überzeugt", so Einrichtungsleiter Thomas Evers über Eliyas Husseini.
Sozialarbeiter Eliyas Husseini, Thomas Evers (Einrichtungsleiter des Caritas-Kinderdorfes am Kölnischen Wald in Bottrop) und Mohammad Al Ahmad (unbegleiteter Flüchtling, 2024). © Christian Müller
Seine Erfahrungen bereichern seine Arbeit
Seit April 2024 ist Eliyas Husseini nun pädagogische Fachkraft im Kinderdorf. Er arbeitet halb in einer Regelwohngruppe für neun Kinder und halb in einer Gruppe für junge Geflüchtete, wie er einst einer war. Für die Jugendlichen ist er ein Vorbild, sie nehmen seinen Rat an. Wie der Jugendliche, der die Schule abbrechen wollte, um Schulden in der Heimat zu begleichen. Husseini rät ihm, unbedingt weiter zur Schule zu gehen und sich einen Minijob zu suchen, um später im Leben einen guten Job zu bekommen. Der Jugendliche nimmt seinen Rat an.
Vorurteile im Alltag
Der 25-jährige Eliyas Husseini engagiert sich ehrenamtlich in der "Flüchtlingshilfe Bottrop". Zuweilen erlebt er aber auch heute noch im Alltag Vorurteile und Rassismus. "Zum Beispiel wenn ich in der Stadt an einer Frau vorbeilaufe und sie ihre Handtasche fester hält", erzählt er. "Aber ich versuche, aus allen Perspektiven auf so eine Situation zu schauen. Es ist ein unbewusster Prozess. Die Menschen hören viele schlechte Nachrichten."
So wie die Nachrichten über das Messer-Attentat eines ausreisepflichtigen Syrers im August in Solingen. "Im Freundeskreis machen wir uns Sorgen, dass wir mit solchen Extremisten in einen Topf geworfen werden. Unser Ruf wird durch solche Taten kaputt gemacht", so Husseini. "Wir sind traurig darüber, aber wir können nichts dagegen machen." Allen jungen Geflüchteten möchte er mit auf den Weg geben: "Wir haben hier Schutz bekommen, wir sollten dankbar dafür sein und das durch unsere Integration zeigen."