Riskant für das Gemeinwohl
Dr. Frank Johannes HenselFoto: Martin Karski
Viele Menschen in Politik und Gesellschaft reden gerade viel über innere und äußere Sicherheit. Dabei geht es zumeist um die Robustheit von Wirtschaft und Landesgrenzen. Die Tatsache, dass unsere Wirtschaftskraft und der innere Frieden maßgeblich durch soziale Beratung, Betreuung und Pflege mitgetragen werden, ist vielen offenbar nicht mehr bewusst. Dabei ist es ganz einfach: Wenn wir uns nicht um die Kinder, Älteren und Geschwächten kümmern, haben auch viel weniger Menschen die Möglichkeit zu arbeiten.
Der Zusammenhang von sozialer Sicherheit, gesellschaftlicher Stabilität und starker Demokratie ist eigentlich sonnenklar. Wir von der Caritas kümmern uns aus Nächstenliebe und Mitmenschlichkeit um Hilfebedürftige und zugleich um das Gemeinwohl. Wir sorgen uns um andere und überbrücken so gesellschaftliche Gräben.
Für diese Haltung und unser Handeln bekommen wir viel Zuspruch von den Bürgerinnen und Bürgern und an den politischen Redepulten. Umso unverständlicher ist es, dass unser Tun durch die Kürzungen im Landeshaushalt nun geschwächt wird. Obwohl wir nachweislich Gemeinschaft stiften, Folgekosten mindern und die Demokratie stärken, scheinen den politisch entscheidenden Kräften die Sozialausgaben nicht wichtig genug zu sein.
Ausgerechnet jetzt bröckelt es im Fundament. Auch wenn die NRW-Landesregierung nach heftigen Protesten nun nicht mehr die ganzen 83 Millionen Euro in der Daseinsvorsorge kürzt, sondern 43 Millionen Euro weniger, sind das immer noch harte Einschnitte. Ein Teilerfolg konnte zwar erzielt werden, eine Entwarnung ist das nicht, zumal auch Bundesmittel weniger werden. Im Oberbergischen Kreis zum Beispiel verkündete das Jobcenter, dass die Mittel für die Wiedereingliederung besonders benachteiligter Menschen in den Arbeitsmarkt zum Jahreswechsel gestrichen wurden. Ausgerechnet die segensreiche Integration in Arbeit in Sozialkaufhäusern, Möbelläden und Fahrradwerkstätten wird fallen gelassen.
Auch insgesamt werden die Integrationskräfte geschwächt: Die Asylverfahrensberatung wird ausgedünnt, Menschen mit Handicap werden es schwerer haben, einen Job zu bekommen, und Haftentlassene finden weniger Unterstützung für ihre Resozialisierung. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass diese Einsparungen menschlich und finanziell unklug sind, weil die individuellen Folgen schwerwiegend und die Folgekosten höher sind.
Denn es ist tragisch für die Betroffenen, schlimm für Beschäftigte und bedrohlich für die Gesellschaft: Je mehr Menschen sich alleingelassen und chancenlos fühlen, desto größer werden die gesellschaftlichen Fliehkräfte. Das Vertrauen in die Politik wird geschwächt. Wer glaubt, er sei unbeachtet und abgehängt, wird sich weniger für die Demokratie, das Gemeinwesen und den Zusammenhalt engagieren. Es ist kein Geheimnis, dass Einsparungen in der Daseinsvorsorge den extremen Parteien zu mehr Stimmen verhelfen. Menschen wählen Protest, da wird der Unmut umgelenkt.
Plötzlich ist es populär, Geflüchteten die Möglichkeit zu nehmen, über das ihnen rechtlich zustehende Geld für ihre Existenzsicherung zu verfügen. Allein NRW sieht sich genötigt, 12,5 Millionen Euro für die Einführung der bundesweit beschlossenen Bezahlkarte für Geflüchtete einzuplanen. Geld, das in der vielerorts guten und gelingenden Integrationsarbeit weit besser angelegt wäre. Solche politischen Entscheidungen bleiben unbesonnen und nachteilig für die Gemeinschaft.
Einmal abgebaut, wird die soziale Infrastruktur vielerorts praktisch nicht wieder aufzubauen sein, weil uns die guten Kräfte verloren gehen. Diese Kürzungen haben Langzeitfolgen.
Jahrzehntelang haben die Wohlfahrtsverbände unter Beweis gestellt, dass sie denjenigen mit Rat und Tat zur Seite stehen, die Hilfe brauchen. Sie haben gezeigt, dass sie den Einzelnen und der Gesellschaft viel liefern können. Die Caritas - und mit ihr alle anderen Wohlfahrtsverbände - erfüllt überlebenswichtige Aufgaben und Aufträge. Wer die soziale Leistungsfähigkeit schmälert, riskiert das Gemeinwohl und den sozialen Frieden.