Seelen-Sprechstunde mit "Dogtor Gibbs"
Der Schäferhund-Mischling Gibbs arbeitet als ausgebildeter Therapiehund im Rahmen psychosozialer Hilfen für Flutbetroffene in Solingen-Unterburg. Nach der Hochwasser-Katastrophe 2021 begleitet er Kinder und Erwachsene auf dem Weg zurück in die Normalität.© Barbara Bechtloff | DiCV Köln
Wenn Nico mit Gibbs durch Unterburg geht, fühlt er sich stark und ziemlich gut. Gibbs geht an der Leine direkt neben ihm, erst über die Brücke an der Wupperinsel, dann am Fluss entlang zum Zirkuswagen an der Hasencleverstraße. Hier warten noch andere Kinder auf Gibbs, die mit ihm spielen und ihn streicheln werden oder eine Runde am Fluss drehen möchten.
Gibbs freut sich auf die Kinder am Zirkuswagen, den die Fluthilfe des Caritasverbandes Wuppertal/Solingen für die Jugendarbeit auf dem Wanderparkplatz aufgestellt hat. In dem beschaulichen Ort unterhalb von Schloss Burg war nach dem Juli 2021 nichts mehr so wie zuvor. Gibbs hat hier neben allem Spaß eine wichtige Mission: Der neunjährige Schäferhund-Mischling ist ausgebildeter Therapiehund.
Der Hund als Teil des therapeutischen Prozesses
Vor sechs Jahren hat Gibbs eine Therapiehundeausbildung bei "Gesundheit durch Tiere e. V." abgeschlossen. Die Ausbildung bereitet Hunde darauf vor, in verschiedenen therapeutischen Kontexten zu arbeiten und Menschen emotional und physisch zu unterstützen. Gibbs arbeitet hier privat und beruflich eng zusammen mit Kirsten Sander, Heilpraktikerin für Psychotherapie und seit 2022 auch in der psychologischen Betreuung von Opfern der Flutkatastrophe tätig. "Unter tiergestützter Therapie versteht man eine therapeutische Intervention, bei der Tiere - meist Hunde, Pferde oder auch Kleintiere wie Meerschweinchen - gezielt eingesetzt werden, um das Wohlbefinden, die emotionale Stabilität und die Genesung von Menschen zu fördern. Tiere werden dabei als Teil des therapeutischen Prozesses eingebunden, um positive körperliche, psychische und soziale Effekte zu erzielen", beschreibt Sander die Aufgaben von Gibbs, den man deswegen auch liebevoll "Dogtor Gibbs" nennt. Die tiergestützte Therapie wird häufig in der Psychologie, Physiotherapie, Ergotherapie und Pädagogik eingesetzt. Sie kann sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen hilfreich sein und wird besonders häufig in der Arbeit mit älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen oder in der Traumatherapie verwendet.
Schäferhund-Mischling Gibbs arbeitet als ausgebildeter Therapiehund.© Barbara Bechtloff | DiCV Köln
Mit solchen Traumata haben in Burg seit der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 noch viele Menschen zu kämpfen, sowohl Erwachsene als auch Kinder, wie die achtjährige Laura. Bei starkem Regen oder Probealarm in der Schule fängt das Mädchen an zu weinen. Seit zwei Jahren trifft sie sich regelmäßig mit anderen Kindern und bespricht ihre Ängste und Sorgen mit Kirsten Sander und der Fluthilfekoordinatorin Stephanie Kalter. "Uns ist es wichtig, dass die Kinder über das Erlebte und ihre Ängste sprechen und wieder lernen, ihre Heimat zu lieben. Dazu gehört auch, ihnen die Angst vor der Wupper zu nehmen", erklärt Kalter.
Empathie, Konzentration, Geduld, Entspannung
Dogtor Gibbs erreicht das Herz und beruhigt die Seele.© Barbara Bechtloff | DiCV Köln
Gibbs liebt diese Treffen am Zirkuswagen, lässt sich berühren, ist Zuhörer und Seelentröster. Gerade in der ersten Zeit nach dem Hochwasser waren die Erwachsenen mit Aufbauarbeiten und existenziellen Sorgen beschäftigt. Für die Nöte der Kinder und entlastende Gespräche blieb wenig Zeit. Wenn Gibbs auftaucht, macht sich eine entspannte Ruhe bemerkbar. Unermüdlich üben Laura, Nico und die anderen mit ihm neue Tricks ein und trainieren dabei ihre Empathie, Konzentration und Geduld. Durch seine Anwesenheit ist es den Kindern leichter möglich, sich zu entspannen, über Gedanken und Gefühle zu erzählen und Selbstvertrauen zu gewinnen.
Kurz vorm Zirkuswagen bleibt Nico mit Gibbs an der Wupper stehen und schaut auf das vorbeiziehende Wasser. Heute fließt der Fluss ganz ruhig am Wanderparkplatz vorbei. "Ist das nicht schön hier, Gibbs?", fragt Nico wie zu sich selbst.