"Für mein Wohlbefinden brauche ich Menschen"
Die Kölnerin Eva Michaelsen sitzt zwar im Rollstuhl, doch sie trotzdem ist sie ehrenamtlich tätig: sie koordiniert ein Team von "Kölsch Hätz" und telefoniert mit Nachbarinnen und Nachbarn, die einsam sind.© Barbara Bechtloff | DiCV Köln
Für Eva Michaelsen war 2008 eine Zäsur. Eine Blutvergiftung überlebte die pensionierte Grundschullehrerin nur knapp. Weil ihr daraufhin ein Hüftgelenk entnommen werden musste, war sie fortan auf den Rollstuhl angewiesen. Wenn die 80-jährige Kölnerin heute zum Rhein möchte, dauert es länger. Vor allem aber: Sie braucht die Hilfe ihres Mannes Rüdiger.
Dabei war sie Jahrzehnte lang diejenige, die anderen half, vor die Tür zu gehen. Sie betreute zum Beispiel eine erblindete Nachbarin, ging mit ihr einkaufen, las ihr aus der Zeitung vor oder führte sie beim Wandern in der Eifel. Eva Michaelsen trug dazu bei, dass die ältere Dame nicht vereinsamte.
Genau das ist das Prinzip der Kölner Nachbarschaftsinitiative "Kölsch Hätz", der Michaelsen seit 2006 angehört. "Kölsch Hätz" wurde 1997 von engagierten Bürgerinnen und Bürgern gegründet, um eine niedrigschwellige Anlaufstelle zu schaffen, die es ermöglicht, Menschen zusammenzubringen. Mehr als 600 Ehrenamtliche engagieren sich stadtweit gegen Isolation und Vereinsamung. Damit tragen sie dazu bei, dass vor allem ältere Menschen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können, auch wenn sie nicht mehr so mobil sind.
Für Eva Michaelsen ist klar: Solange es geht, wird sie sich weiter engagieren - jetzt eben als Koordinatorin für die rund 40 Besuchsdienste in der Stadtteilen Deutz und Poll. Außerdem hält sie telefonisch Kontakt zu älteren und einsamen Menschen. "Für mein Wohlbefinden brauche ich Menschen", sagt sie.
Mindestens einmal in der Woche telefoniert sie mit einer Dame aus der Nachbarschaft, ein Gespräch wie unter Freudinnen, manchmal dauert es ein bis zwei Stunden. Auch das ein einfaches, aber wirksames Instrument gegen Isolierung.
Auch Telefonieren hilft gegen Einsamkeit. Ehrenamtliches Engagement geht auch vom Küchentisch aus.© Barbara Bechtloff | DiCV Köln
Einsamkeit nimmt zu
Der Liebe wegen war Eva Michaelsen 1969 aus Lörrach ganz im Südwesten Deutschlands nach Köln gezogen. Wann immer es die Zeit zuließ, engagierte sich die kinderlose Frau. Sie besuchte Menschen im Krankenhaus, führte Flüchtlinge aus Tschetschenien durch den deutschen Behördendschungel. "Ich mache das auch für mich. Man lernt so viel dabei und überdenkt seine eigene Meinung."
Eigentlich sei ihr das Engagement in die Wiege gelegt worden. "Als ich klein war, haben meine Eltern die Kinder einer benachbarten Familie mitversorgt. Sie hatten es weniger gut im Leben als wir."
Um die Zukunft des Engagements macht sie sich keine Sorgen: Bei "Kölsch Hätz" melden sich immer wieder junge Menschen, die helfen wollen. Und der Bedarf steigt. Einsamkeit, sagt Eva Michaelsen, sei ein inzwischen weitverbreitetes Phänomen