Distanz hautnah
Caritas in NRW Wie hat die Corona-Krise das Frauenhaus Bochum betroffen?
Ulrike Langer: Wir haben mehr zu tun, allerdings nicht aufgrund von mehr Anfragen, sondern weil sich die Arbeit verändert hat. Wir müssen für und mit unseren Frauen Kontakt zu den unterschiedlichsten Behörden halten. Dieser muss jetzt anders gestaltet werden. Jede Behörde und nach unserem Eindruck häufig auch jede Mitarbeiterin geht mit unseren Anfragen unterschiedlich um. Von keiner Rückmeldung bis zu sehr schnellen Antworten. Dies betrifft auch die rechtliche Situation, denn die von den Behörden geforderte Mitwirkung ist unter Corona-Bedingungen gar nicht möglich. Vieles läuft jetzt digital, sodass die Frauen noch weniger alleine übernehmen können. Sie verfügen meist nicht über die technischen Möglichkeiten oder die richtigen Ansprechpartner. Ein Beispiel: Wenn eine Frau sich beim Bürgerbüro ummelden muss, konnte sie dazu nicht mehr einfach ins Rathaus gehen, sondern wir mussten per Mail Kontakt aufnehmen und klären, wie eine An- oder Ummeldung möglich war. Auch das Thema Homeschooling ist bei uns gerade ganz groß. Unsere Mitarbeiterinnen haben bis zum Schulstart unsere Schulkinder dabei begleitet, da die Mütter häufig nicht dazu in der Lage waren.
Caritas in NRW: Wie gehen die Mitarbeiterinnen mit dem Abstandsgebot um. Wie Schutz gewähren, helfen, reden, da sein und unterstützen auf Abstand?
Ulrike Langer: Unser Schutz besteht in der Hauptsache aus Mundschutz und Desinfektionsmittel. Ärgerlich war, dass bei der Verteilung der Schutzmaterialien nicht an uns gedacht wurde. Unsere Gruppentreffen mit den Bewohnerinnen finden zurzeit draußen im Hof statt. Die Beratungsgespräche finden weiterhin auf relativ engem Raum statt. Mittlerweile haben wir auch eine Plexiglaswand. Alle Frauen und Kinder haben von uns Mundschutze erhalten, die sie im Kontakt mit uns auch immer aufsetzen müssen. Es kommt aber natürlich weiterhin zu engem Kontakt, bei dem wir den Mindestabstand nicht einhalten (können): wenn wir einen Brief gemeinsam durchlesen und besprechen, wenn wir Handy-Nachrichten von Ex-Männern, Wohnungsgesellschaften lesen oder auch einfach nur Kugelschreiber hin- und herreichen.
Caritas in NRW: Was sind die besonderen Probleme der Menschen unter Corona-Bedingungen, denen Sie Schutz und Hilfe anbieten?
Ulrike Langer: Unsere Frauen sind wie wir alle auch davon betroffen, dass sie ihre sozialen Kontakte nicht pflegen sollen. Das fällt auch ihnen schwer, denn es ist einfach entlastend, sich mal mit einer Freundin oder Verwandten im Park zu treffen oder ein Eis essen zu gehen. Es ist schwer, sich um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern, da alles anders laufen muss. Vieles läuft über das Internet. Wenn eine Frau keinen eigenen Zugang hat, ist sie noch mehr als sonst von uns abhängig. Und natürlich ist es im Moment noch schwieriger, eine Wohnung zu finden, geschweige denn Möbel dafür zu organisieren. Bis zum Schulstart kam noch hinzu, dass die Kinder die ganze Zeit im Haus waren und beschäftigt werden wollten, eine Herausforderung nicht nur für die Mütter, auch für uns!
Wir freuen uns darüber, dass das Bundesfamilienministerium und die Landesministerin die Frauenhäuser jetzt auch im Blick haben und Unterstützung zugesagt haben, etwa bei der technischen Ausstattung. Wir erfahren zurzeit viel gesellschaftliche Solidarität. Menschen nähen für uns Mundschutzmasken oder spenden Geld, um in dieser Situation zu helfen.
Die Fragen stellte Christoph Grätz.