Die Welt im Burn-out
Masken-Pflicht: Ich kann nicht kontrollieren, wie mein Gegenüber mich anschaut. Ich kann nicht zurückspiegeln, was mich gerade bewegt. Das belastet psychisch kranke Menschen.Foto: Achim Pohl
Wer mit einem Gerüst aus hilfreichen Strukturen und Kontakten eine psychosoziale Balance aufgebaut hat, erlebt gerade deren Zusammenbruch. Stützende private Kontakte sind nur noch sehr eingeschränkt möglich, bisher beherrschbare Phobien oder Zwangshandlungen gehen nahtlos in ein Angstgeschehen über, sich etwa beim Einkaufen im Supermarkt oder beim Arzt zu infizieren. In psychiatrischen Krankenhäusern werden geplante und lange vorbereitete Behandlungen abgesagt. Selbsthilfegruppen und psychosoziale Unterstützungsangebote fallen zur Vermeidung von Infektionen aus.
Da gibt es die Angstpatientin, die nicht mehr mit ihrer ehrenamtlichen Begleiterin das Haus verlassen kann, weil diese unter Quarantäne steht. Da wird der stützende Kontakt zur engen Familie unterbrochen, weil man selbst oder das Familienmitglied zu einer Risikogruppe gehört. Umgekehrt wird manch schwierige Beziehung durch Ausgangsregulierung und "Stay Home"-Appelle unerträglich verdichtet: Der erwachsene Sohn mit psychotischen Symptomen, den die Familie bisher unter Vermeidung einer Eskalation trotz bizarrer Verhaltensweisen zu Hause versorgt hat, droht das Familiensystem zu sprengen, weil alle anderen nicht mehr zur Schule, zur Uni oder zur Arbeit gehen und man erstmals 24/7 miteinander auskommen muss.
Und die üblichen Empfehlungen, in solchen Situationen Kontakt zu Arzt, Beratungsstelle, Selbsthilfegruppe, Klinik oder Gesundheitsamt aufzunehmen, funktionieren nicht mehr richtig, weil Erreichbarkeit, Hausbesuche oder Aufnahmemöglichkeiten dieser Stellen zurückgefahren wurden.
Angepasst ans Abstandsgebot
Ärztinnen und Ärzte sprechen inzwischen von einer zweiten, psychiatrischen Epidemie, die der Virenpandemie folgt, weil Erkrankungen sich verschlimmern und nur unzureichend aufgefangen werden können. Die Sozialpsychiatrischen Zentren des Caritasverbandes Köln haben zwar ihre Gruppenangebote eingestellt, halten die Beratungsangebote aber offen, indem telefonisch, online und in Einzelfällen unter Beachtung von Schutzmaßnahmen auch persönlich beraten wird. Die zugehenden Angebote zur Unterstützung zu Hause haben sich ebenfalls dem Abstandsgebot angepasst, bieten gemeinsame Spaziergänge und Telefonate an oder organisieren Einkaufshilfen, um Entlastung und Tagesstruktur zu ermöglichen. So hoffen wir, die Zeit des Physical Distancing durch telefonische, digitale oder vorsichtige persönliche Kontakte überbrücken zu helfen.
Robert Schlappal
Web: https://caritas.erzbistum-koeln.de/koeln-cv/menschen_mit_behinderung/sozialpsychiatrisches_zentrum_innenstadt/
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