Der Sinn von Corona
Und was machen wir jetzt damit? Ich rede von der unliebsamen Bekanntschaft mit dem Coronavirus. Wer hätte denn zum Jahreswechsel bei knallenden Sektkorken und warmen Wünschen für 2020 gedacht, dass wenige Monate später Händeschütteln ein No-Go ist, dass man eine Maske tragen muss, um beim Bäcker Brötchen kaufen zu können, oder dass die Kinder länger Oma und Opa nicht treffen dürfen? Mit dieser extremen Erfahrung müssen wir doch irgendetwas anfangen. Was ist der Sinn dahinter?
Die Natur schweigt. Das Virus kennt keinen Sinn. Es macht, was es macht. Der Sinn ist "unser" Problem. Er ist nichts Feststehendes, was irgendwo in einem himmlischen Wahrheitsuniversum existierte. Vielmehr sind wir es, die Sinn produzieren und ihn den erlebten Dingen quasi anheften. Offenbar können Menschen nicht anders. Wir müssen derartig einschneidende Ereignisse auf uns selbst beziehen und mit Deutung versehen.
Nicht Sinnsuche, sondern Sinngebung ist also die Aufgabe. Und es ist offensichtlich zunächst eine subjektive Sache, nichts Objektives. Das beruhigt, wenn man etwa mit einer so kuriosen Idee konfrontiert wird, Corona sei etwa Strafe für etwas, verabreicht durch eine höhere Macht - Sinnproduktion bietet natürlich auch Raum für Unsinn. Darum finde ich, dass persönliche Denkergüsse nicht immer sofort anderen Menschen auf den Bauch gebunden werden müssen. Sinnproduktion ist durchaus ein Unternehmen mit Verantwortung.
Ich bin übrigens kürzlich der Empfehlung einer Freundin gefolgt und habe mir den Seuchen-Thriller von 2011 "Contagion" angeschaut. Er ist frappierend nah dran an der aktuellen Corona-Situation. Ich hoffte, neue Sinneinsichten zu gewinnen. Der Film zeigt - Achtung: Spoiler -, wie bedrohlich die Situation ist, und er endet mit der Klärung, wie es dazu kommen konnte. Sinnproduktion? Nicht wirklich. Am Ende ist das Virus besiegt, und zwar aus einem Grund: Alle tun, was zu tun ist, Menschen aus Pflege, Medizin, Wissenschaft, Polizei und viele mehr. Damit gebe ich mich zufrieden.
Boris Krause