Virtuell die Orte der Kindheit besuchen
Ruth Sauerland (r.), Roswitha Massolle (2. v. r.) und Ursula Volkmer (l.) sind hochkonzentriert beim Memory-Spielen und Worte-Suchen. Nicht nur für Gedächtnistraining, auch für die Erinnerungsarbeit nutzt das Team um Elena Hilgenberg (im Hintergrund) digitale Medien.Foto: Caritas | Christoph Grätz
Das habe ich früher oft mit den Kindern gespielt", erinnert sich Ruth Sauerland. Die 94-Jährige sitzt mit drei weiteren Seniorinnen im Foyer des Marienheims in Essen-Überruhr und spielt Memory auf einem Tablet. Für die vier Damen ist es eine willkommene Abwechslung, sich mit den Tablets zu beschäftigen. "Man kann da noch andere Spiele machen, aber ich habe mich jetzt auf Memory spezialisiert", verrät Sauerland. Ursula Volkmer (84) spielt mit Begeisterung "Wort-Sudoku" und hat bereits Level 1000 geknackt. "Eigentlich wollte ich das gar nicht machen, und jetzt komm ich da nicht mehr von weg!", gesteht sie lachend.
Andere Bewohnerinnen und Bewohner nutzen die Tablets, um Musik aus der Heimat zu hören, Filme und Tutorials zu schauen, mit Angehörigen zu chatten oder Kleidung zu kaufen. Für Elena Hilgenberg (43), Mitarbeiterin beim Sozialdienst des Marienheims, war die Anschaffung der Tablets während der Corona-Zeit ein Glücksfall: "Das hat die Menschen superglücklich gemacht. So konnten sie ihre Angehörigen sehen und mit ihnen sprechen - trotz Kontaktverbot." Die Sozialarbeiterin leitet das Projekt "Digitale Teilhabe" - eines von landesweit 650 Projekten, die die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW gefördert hat, um die von der Pandemie besonders betroffenen Personengruppen zu stärken. Seither stehen den 122 Bewohnenden der Einrichtung in Trägerschaft der Theresia-Albers-Stiftung sechs Tablets und ein Computer zur Verfügung.
Sie werden rege genutzt. Ein Wochenplan regelt, in welchem Wohnbereich die Tablets wann zum Einsatz kommen - nicht nur zum Zeitvertreib, sondern auch um Erinnerungen wachzuhalten. "Manchmal fließen Tränen der Rührung", berichtet Hilgenberg, "wenn wir virtuell an Orte der Kindheit zurückgehen, wo die Menschen geboren sind, wo sie geheiratet haben." Aber es gebe auch lustige Momente, wenn die alten Menschen Geschichten von früher erzählten. Und selbst diejenigen, die aufgrund fortgeschrittener Demenz nicht mehr in der Lage sind, sich zu äußern, profitieren von dem neuen Angebot. Hilgenberg: "Wir hatten eine sehr unruhige Bewohnerin, der wir Entspannungsmusik auf dem Tablet vorgespielt haben. Das hat ihr gut getan."
Tablets in der Alltagsbegleitung alter Menschen einzusetzen, mache nicht nur Spaß, sondern werde auch immer mehr nachgefragt, sagt die Sozialarbeiterin. "Denn es kommt jetzt nach und nach eine Generation ins Altenheim, die bereits Erfahrung mit digitalen Geräten hat."