"Man muss das Leben nutzen"
Ihr Sohn ist in einem Jahr blind." Das haben die Ärzte des Uniklinikums Münster den Eltern des 17-jährigen Florian Elfrich gesagt. Morbus Stagardt - eine bisher nicht heilbare Degeneration der Makula, des Bereichs des schärfsten Sehens im Auge. Heute ist Florian Elfrich 22 Jahre alt und kann immer noch sehen. "Mit meinen 42 Prozent Sehkraft gelte ich bei meiner Erkrankung als Adlerauge", sagt der Auszubildende zum Kaufmann für Büromanagement beim Diözesan-Caritasverband in Münster und lacht.
Es war ein langer Weg, bis er die Erkrankung annehmen und offen darüber sprechen konnte. Die Diagnose sei so hart gewesen, weil damals alle Schulkameraden begonnen hätten, den Führerschein zu machen. "Ich war am Boden zerstört", erinnert er sich. Erst der Besuch in einem Förderzentrum für Blinde und Sehbehinderte habe die Wende gebracht. "Dort habe ich gemerkt, mir geht es verhältnismäßig gut - andere können gar nichts sehen."
Sein großer Traum ist es, alle Kontinente zu bereisen, bevor er erblindet. Denn sicher ist, seine Augen werden schlechter - ungewiss ist nur, wann. "Meine Eltern unterstützen mich sehr, damit ich reisen und noch möglichst viel sehen kann."
Unterstützung erfährt er auch beim Diözesan-Caritasverband: "Jeder hilft hier jedem." Über das Jobcenter konnten eine Vergrößerungssoftware, ein Bildschirmlesegerät, zwei 27 Zoll große Bildschirme und ein iPad für Arbeit und Schule angeschafft werden. Ein beruflicher Höhepunkt sei die Teilnahme an der Demo "NRW, bleib sozial!" in Düsseldorf gewesen. Als Auszubildender sei er Teil des Teams und ihm werde großes Vertrauen entgegengebracht.
Das hat er in seiner ersten Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik anders erlebt. "Mit Leuten mit Benachteiligung kann ich nicht arbeiten", warf ihm sein damaliger Chef an den Kopf. Da ist der sonst eher stille Azubi laut geworden und hat den Betriebsrat eingeschaltet. "Ich will nicht, dass man mich oder andere Menschen mit einer Einschränkung diskriminiert oder sich über uns lustig macht."
Florian Elfrich geht seinen Weg - nicht nur im Beruf, sondern auch in der Freizeit. Von Kindesbeinen an war er begeisterter Fußballer. Kein einfacher Sport, wenn man nicht richtig sieht. Deshalb sitzt er jetzt dreimal pro Woche im Ruderboot und rauscht in seinem Heimatort Rheine über die Ems. Wenn er nicht im Vierer mit Steuermann sitzt, ist er Messdiener und in der Gemeinde aktiv.
Es gibt Menschen, die haben mit 22 Jahren schon mehr Größe, als andere jemals erlangen - Florian Elfrich ist einer davon. "Man muss das Leben nutzen, solange es geht", sagt der junge Mann, der anderen Mut machen möchte, sich Krankheiten zu stellen. "Zusammen sind wir stark - unabhängig von Hautfarbe, Kultur oder Handicap."