Viele Karussells stehen auf dem Kirmesplatz
Sorgfalt und Genauigkeit sind hier gefordert: Beschäftigte der CBW konfektionieren in einem Reinraum Medizinprodukte.CBW
BTHG - vier Buchstaben, die viele Veränderungen gebracht haben für Behindertenwerkstätten wie die Caritas Betriebs- und Werkstätten GmbH (CBW) in Eschweiler bei Aachen. Herausforderungen habe das Bundesteilhabegesetz den Werkstätten beschert. Von Problemen mag CBW-Geschäftsführer Michael Doersch nicht sprechen. Dafür ist der Maschinenbauingenieur viel zu lösungsorientiert unterwegs. Eine der Herausforderungen, die der 56-Jährige sieht, ist die Regelung im BTHG, wonach Menschen mit Behinderungen nicht mehr nur in Werkstätten beschäftigt sein können, sondern auch bei sogenannten "anderen Leistungsanbietern". Anders als die Werkstatt für Menschen mit Behinderungen müssen andere Leistungsanbieter keine Mindestplatzzahl vorhalten, keine besonderen Anforderungen an Räume und deren Ausstattung erfüllen und kein förmliches Anerkennungsverfahren durchlaufen. Eine bindende Verpflichtung zur Aufnahme von Menschen mit Behinderungen haben andere Leistungsanbieter im Gegensatz zu den Werkstätten auch nicht.
Michael Doersch spricht gerne in Bildern. Die Situation für die Werkstätten, die jetzt durch die anderen Leistungsanbieter entstanden ist, beschreibt er für die CBW so: "Das ist wie auf einem Kirmesplatz. Da gab es früher nur ein Karussell. Und da stand CBW drauf. Jetzt unter den Regelungen des Bundesteilhabegesetzes gibt es andere Karussells auf diesem Platz, eben den anderen Leistungsanbieter. Und der sagt: Ich mache ein Angebot für Menschen mit Behinderung, mit dem ich auf dem Arbeitsmarkt anders agieren kann. Man könnte auch sagen: Das ist Marktwirtschaft." Vor der fürchtet sich Doersch auch nicht. Er ist überzeugt, dass die CBW gut aufgestellt ist. Aber trotzdem befürchtet er Nachteile für einzelne Beschäftigte mit Behinderungen in den Werkstätten.
"Der andere Leistungsanbieter wird die möglichst starken Leute aus den Werkstätten nehmen", sagt Doersch. Scheitere der andere Leistungsanbieter damit, habe dieser kaum ein Risiko. Anders sehe es aber für die Beschäftigten aus. Da pflichtet ihm Fredi Gärtner bei, Leiter des Sozialen Dienstes und der Beruflichen Bildung der CBW. "Wir haben heute schon einige Beschäftigte, die draußen sogenannte ausgelagerte Berufsbildungsplätze haben, zum Beispiel bei einem Bäcker. Von einigen dieser Beschäftigten wissen wir, dass sie den Kontakt zu den anderen in der Werkstatt vermissen." Und noch eine andere Schwierigkeit sieht Gärtner: Das Bundesteilhabegesetz setze sehr auf die freie Entscheidung der Menschen, um deren Teilhabe zu sichern. Sie könnten sich frei entscheiden, ob sie bei einem anderen Leistungsanbieter unterkämen oder in einer Werkstatt. "Für Teilhabe müssen die Menschen mit Behinderung aber die Hand heben", sagt Gärtner. Einige könnten das aufgrund ihrer Behinderung aber nicht. Da seien Eltern oder Betreuer gefordert, die sich kümmerten. Einige Eltern seien aber nicht in der Lage, die Beschäftigten entsprechend zu unterstützen. "Wir haben die Sorge, dass das zur Exklusion der Schwächsten führt", sagt Gärtner.
Dienstleister für die Wirtschaft: Beschäftigte der Behindertenwerkstatt prüfen elektronische Bauteile.CBW
Die CBW will genau das Gegenteil. Christof Stormanns, der Werke der CBW an den Standorten Eschweiler und Würselen leitet, ist davon überzeugt, dass Werkstätten für Menschen mit Behinderung einen wichtigen Beitrag zur Inklusion leisten. Als er das sagt, hat er einen Beschäftigten in der Montage und Verpackung vor Augen, den die CBW qualifiziert. Wegen einer fortschreitenden Erkrankung ist er in seiner Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt. Er ist geistig sehr fit, sitzt im Rollstuhl. "Aufgrund seiner Behinderung konnte dieser Beschäftigte nicht mehr in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden und hatte keine Chance auf Arbeit. Er saß lange ohne eine Aufgabe einfach nur zu Hause. Bei einem Kennenlerngespräch sagte er mir kürzlich, wie froh er sei, endlich wieder eine Aufgabe zu haben. Dieses Beispiel zeigt mir wieder einmal: Die Werkstätten sind Teil der Lösung und nicht das Problem."
Das meint auch Fredi Gärtner. Werkstätten seien nach dem BTHG nun eines von weiteren Angeboten für Menschen mit Behinderung. Das hat Konsequenzen für die CBW. "Wir müssen nun bei unseren künftigen Beschäftigten Klinken putzen, so wie wir es auch für die Kunden tun, für die wir in unseren Werkstätten Aufträge abwickeln. Wir müssen jetzt auch den kritischen Vater und die kritische Mutter überzeugen. Das wird uns gelingen, wenn wir den bunten Strauß an Möglichkeiten vorstellen, den wir Beschäftigten bieten können", sagt Gärtner. Michael Doersch kommt noch einmal zurück auf das Bild vom Kirmesplatz, auf dem nun viele Karussells stehen. Das Rezept, wie er die CBW auf Kurs halten will, hat er: "Wir müssen das schönste Karussell auf dem Kirmesplatz sein, auf das jeder drauf möchte", sagt der CBW-Geschäftsführer.
Caritas Betriebs- und Werkstätten GmbH
Aachener Straße 87
52249 Eschweiler
Informationen
In der Caritas Betriebs- und Werkstätten GmbH (CBW) arbeiten in acht Werken mit mehr als 20 Arbeitsbereichen an sechs Standorten in der Städteregion Aachen mehr als 1000 Beschäftigte mit geistiger und psychischer Behinderung. Die CBW - Gesellschafter sind der Caritasverband für das Bistum Aachen und der Caritasverband für die Regionen Aachen-Stadt und Aachen-Land - betreibt unter anderem eine Schreinerei, eine Wäscherei, eine Druckerei und eine Dreherei. In einem Werk gibt es einen Reinraum, in dem Beschäftigte Medizinprodukte konfektionieren. Die Beschäftigten erledigen Aufgaben für die Autozulieferindustrie oder bieten Dienstleistungen in der Garten- und Landschaftsgestaltung an.