Keine Langeweile, nicht mehr einsam …
Anfangs war es einsam um Karl Bersch. Am 1. November 2019 zog der heute 81-Jährige als Erster in die Räume einer Senioren-Wohngemeinschaft gleich neben dem Caritas-Zentrum Holt in Mönchengladbach. Er war seinerzeit der erste Mieter in dieser neuen Wohngruppe, die vom Caritasverband Mönchengladbach betreut wird. Heute ist diese mit neun Seniorinnen und Senioren und eine weitere mit zehn Personen voll belegt. Von Einsamkeit ist bei Karl Bersch längst keine Spur mehr. "Wir haben hier immer Programm", sagt er. Zur Zeit des Reporter-Besuches - es ist Ende Oktober - steht Halloween vor der Tür. Der breite Flur der Wohngruppe ist geschmückt, die Türen zu den großen Zimmern mit jeweils eigener Nasszelle sind mit Gruselmasken dekoriert.
Karl Bersch hat es sich auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum gemütlich gemacht. Dort trifft er Vorbereitungen für das nächste große Fest: St. Martin. Bersch, der früher auf dem Bau gearbeitet hat, ist handwerklich begabt. Er hat aus Holz einen Pferdekopf ausgesägt und ihn mit braunem Kunstfell bezogen. Das wird der Kopf des Steckenpferdes von St. Martin für die große Feier in der WG. Der Stock steht neben dem Fenster, an einen Stuhl gelehnt. Zurzeit ist Karl Bersch damit beschäftigt, dem Pferdekopf eine Mähne zu verpassen. Schwarze Wollfäden hat er sich zurechtgelegt, die er nun nach und nach am Kunstfell befestigt. Währenddessen erzählt er, wie er in die betreute Wohngemeinschaft für Senioren kam. Das verdankt er seiner Schwester. Nach dem Tod von Berschs Lebensgefährtin, mit der er in einer schönen Wohnung zusammengelebt hatte, war schnell klar: Der Senior, der einen Pflegegrad hat, kann nicht alleine bleiben. Ein Pflegegrad ist neben dem Wohnberechtigungsschein die Voraussetzung, um in die Senioren-WG der Caritas einzuziehen. Die Schwester nahm Kontakt auf, und Karl Bersch zog ein. Er hat seine eigene Wohnung, aber, wenn er möchte, Kontakte innerhalb der WG, unter anderem im Gemeinschaftsraum. Von der Möblierung erinnert dieser an ein Wohnzimmer. Dafür und für die Möbel im zweiten Gemeinschaftsraum, der großzügigen Wohnküche, sorgt die Caritas als Vermieterin. Welche Schränke, Betten, Tische und Stühle in den Bewohnerzimmern stehen, das entscheidet jeder Mieter für sich. "Ich finde es schön, dass da die eigenen Möbel stehen. Das sind Andenken von früher", sagt Karl Bersch.
Irene Blaeser leitet die ambulant betreuten Senioren-Wohngemeinschaften. Die 49-jährige gelernte Krankenschwester und Kauffrau im Gesundheitswesen hat einen behinderten Sohn. Aus der Behindertenhilfe kennt sie daher auch diese Wohnform. Und als sie davon hörte, dass in Holt in der Senioren-WG eine Stelle frei wurde, meldete sie sich bei der Caritas. Mit dieser sogenannten anbieterverantworteten ambulant betreuten Wohngemeinschaft für Senioren reagierte der Verband auf einen ganz spezifischen Bedarf. "Unsere WG ist das passende Angebot für diejenigen, die Pflege brauchen, die aber nicht in ein Pflegeheim wollen und wo die Pflege auch nicht daheim geleistet werden kann", sagt Irene Blaeser. Zurzeit leben in der WG neun Seniorinnen und Senioren im Alter von 68 bis 93 Jahren. Einige haben demenzielle Veränderungen. Wer noch mobil ist, kann die in der Nähe gelegenen Geschäfte aufsuchen oder auch die örtliche Pfarrkirche besuchen.
Die Caritas fungiert in der WG als Vermieterin. Sie stellt auch das für die Betreuung notwendige Personal. Sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen für Sauberkeit, helfen beim Zubereiten der Mahlzeiten, unterstützen bei der Tagesgestaltung oder bleiben nachts in der WG, damit die Bewohnerinnen und Bewohner sich sicher fühlen und im Ernstfall Hilfe geholt werden kann. Für die Pflege schließt jeder Bewohner mit einem Pflegedienst seiner Wahl einen entsprechenden Vertrag ab. Zurzeit haben alle Bewohner Verträge mit dem Pflegedienst der Caritas. "Unser Ziel ist es, die Eigenständigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner so lange wie möglich zu erhalten", sagt Irene Blaeser. Oft spricht sie mit Angehörigen, die für ihre Eltern nach einem Platz fragen. "Die berichten mir dann, dass sie gesehen haben, dass Mutter oder Vater nicht mehr alleine in ihrer Wohnung bleiben könnten, weil sie pflegebedürftig seien." Groß sei die Erleichterung, wenn sie eine Wohnung in der WG mieten könnten. 2700 Euro kostet eine Wohnung im Monat inklusive Miete, Nebenkosten, Möbelzuschlag und Betreuungspauschale. Pro Monat zahlt die Pflegekasse einen Anteil von 214 Euro dazu. Wenn es um den Wohnberechtigungsschein oder die Kostenübernahme zur Hilfe für Pflege geht, ist die Stadt Mönchengladbach Ansprechpartnerin. "Mit der Stadt haben wir eine gute Kooperation, das geht sehr reibungslos", sagt Irene Blaeser und fügt hinzu. "Für mich ist die ambulant betreute Senioren-Wohngruppe eine Sache mit Zukunft. Sie ermöglicht den Bewohnerinnen und Bewohnern ein eigenständiges Leben in einer sicheren Umgebung."
Das schätzt auch Karl Bersch, der immer noch im Gemeinschaftsraum sitzt und sich um die Mähne des hölzernen St.-Martin-Pferdes kümmert. "Wenn nachts irgendetwas ist, drehe ich mich nur um und drücke den Knopf", sagt er und deutet zur Wand hinter dem Sofa, an der auch ein Notrufknopf angebracht ist. Dann legt er seine Bastelarbeit zur Seite, steht auf, nimmt den Rollator und geht zur Küche. Er ist heute mit einer weiteren Bewohnerin und Betreuerin Laura Wiehrich verantwortlich fürs Essen. Gemeinschaftlich wird entschieden, was auf den Tisch kommt. Und alle Bewohnenden kochen regelmäßig in Zweierteams mit einer Betreuerin. Wenn es nach Karl Bersch geht, könnte es bald jeden Tag Sauerkraut und Schweinshaxe geben. Das isst er gar zu gerne. Doch an das Hauptgericht geht es noch nicht. Betreuerin Laura Wiehrich hat die Nachspeise vorbereitet, und Karl Bersch nimmt sich den Mixer und rührt im Mixbecher. "Wissen Sie", sagt er, als er die Nachspeise rührt, "wem es hier in der Wohngruppe langweilig wird, ist es einfach selber schuld."
Kontakt
Ambulant betreute Wohngemeinschaft
Koordination: Irene Blaeser
E-Mail: blaeser@caritas-mg.de