Alter als Gestaltungsaufgabe
Wir müssen uns fragen, welche Alters- und Alternsbilder in einer Gesellschaft zur ärztlichen und psychosozialen Nichtversorgung sterbender alter Menschen im Heim führen." Mit diesem sehr eindringlichen Satz zitiert ein Beitrag zu Trauerprozessen während der Corona-Pandemie die Trauerforscherin Carmen Birkholz. Nicht erst seit Corona ist die Begleitung alter, kranker und sterbender Menschen ein Ernstfall und Maßstab christlich inspirierten diakonischen Handelns.
Wo immer dieser Auftrag gelingt, verdichten sich anthropologisch-theologische Grundannahmen in konkreter Zuwendung. Menschenwürde verbürgt eine besondere Würde des Alters. Das Würdegrundrecht ist unveränderlich und damit unverlierbar. Der Theologe Eberhard Jüngel etwa hat schon 1975 beschrieben, dass der alte Mensch gerade als Nehmender Repräsentant der Menschenwürde sei. Und darin zugleich wieder ein Gebender.
Aus Sicht der Altersforschung ist Alter aber weit mehr als bloß Hypothek. Es wird höchste Zeit, die defizitäre Brille vom Kopf zu bekommen und Alter nicht nur in Kategorien der Hilfe zu denken. Es erstaunt, dass sich unsere Gesellschaft nach wie vor auf nahezu allen Ebenen viel zu wenig darauf eingestellt hat, dass der demografische Wandel uns zunehmend zu einer Gemeinschaft des langen Lebens macht. Altenarbeit ist mehr als Altenhilfe.
Wir haben dringenden Nachholbedarf, wenn es darum geht, Strukturen und Anreize zu schaffen, die ältere und alte Menschen dazu ermutigen und ermuntern, nicht allein teilzuhaben, sondern teilzugeben. Damit ein alterssensibles Verständnis von Gemeinwohl keine Utopie bleibt, braucht es ressourcenorientierte Konzepte und Engagement. Ein naheliegender, natürlicher und fast schon wieder in Vergessenheit geratener Ermöglichungsraum dafür ist das Quartier.