Entlastung für pflegende Angehörige
Marianne Küster spielt gerne "Mensch ärgere dich nicht". Die 85-Jährige sitzt gemeinsam mit Christine Neumann am Tisch in der Stube der Tagespflege Nettetal des Caritasverbandes für die Region Kempen-Viersen. In der Mitte steht das Brettspiel. Neumann hat gerade eine Glückssträhne, würfelt drei Sechsen hintereinander. "Du kommst ja gut voran", sagt Marianne Küster anerkennend. Sie selbst würfelt kleinere Zahlen, bis plötzlich auch bei ihr der Würfel eine Sechs zeigt. "Na, geht doch", sagt sie und stellt einen Spielstein an die Startposition.
Marianne Küster ist eine von zwölf Gästen, die regelmäßig die Tagespflege der Caritas besuchen. Drei Tage in der Woche kommt sie in das frühere Rathaus der Stadt Nettetal, das zur Tagespflege umgebaut wurde und in dem die Caritas Mieterin ist. Christine Fellner, die 81-jährige Schwester von Marianne Küster, hat den Platz besorgt. Gerne würde sie die Schwester öfter zur Tagespflege bringen, aber dafür reicht das Budget nicht. Morgens fährt sie ihre Schwester zur Tagespflege, sodass sie um 8.15 Uhr dort ist. Dann wird erst einmal gefrühstückt. Das Personal - sieben Mitarbeiterinnen hat die Einrichtung - hat den Frühstückstisch hübsch gedeckt. Marianne Küster isst gerne ein Brötchen mit Käse. Wenn sie am Nachmittag um 16 Uhr von ihrer Schwester abgeholt wird, freut sie sich immer schon auf das nächste Mal. "Meine Schwester strahlt immer, wenn ich sie abhole. Und sie erzählt immer sehr zufrieden", berichtet Christine Fellner. Das ist ihr wichtig.
Vor zwei Jahren kam ihre Schwester vom Möhnesee nach Nettetal. In ihrer Wohnung konnte sie damals nicht länger alleine bleiben. Die Frage stand im Raum, ob sie in ein Pflegeheim sollte. Marianne Küster war davon wenig begeistert. Als dann neben der Wohnung der Schwester eine Wohnung frei wurde, zog sie nach Nettetal. Je nach Tagesform kann sich Marianne Küster in ihrer Wohnung an den Tagen, wo sie nicht in die Tagespflege geht, das Frühstück selbst zubereiten. Ihre Schwester hilft ihr aber beim Duschen, und sie sorgt auch an den Tagen, an denen die 85-Jährige nicht in der Tagespflege isst, für das Mittagessen. Ein Pflegedienst kommt nicht. Christine Fellner ist vom Fach, sie hat als Altenpflegerin gearbeitet. Solange sie ihrer Schwester noch helfen kann, will sie diese gerne unterstützen. "Wir waren immer füreinander da, das muss angeboren sein", sagt die 81-Jährige.
"Wir möchten die Angehörigen entlasten und unseren Gästen eine gute Zeit bieten", sagt Petra Beck. Die 64-jährige gelernte Krankenschwester leitet die Tagespflege Nettetal seit zwölf Jahren - es gibt sie in diesem Jahr seit 20 Jahren. Dass die Tagespflege im Pflegeangebot künftig eine noch größere Rolle spielen wird, steht für Petra Beck außer Frage. Sie kann sich noch an die Anfangszeiten erinnern, als die Tagespflege nur zur Hälfte besetzt war. "Heute könnte man sie gar nicht mehr kompensieren", sagt sie und verweist auf die Erfahrungen in der Corona-Pandemie. Vor der Pandemie führte die Einrichtung Wartelisten. Bis zu 24 Monate mussten Gäste auf einen Platz warten. Als dann nach der Pandemie, in der die Einrichtungen zunächst für drei Wochen schließen mussten, die Tagespflegen mit Notgruppen vorsichtig öffnen durften, waren viele von der Warteliste verschwunden. Sie waren in ein Pflegeheim gekommen oder verstorben. "Wir haben noch nie so viele Menschen an die Pflegeheime wie im Jahr 2021 verloren", sagt Petra Beck. Die Angehörigen hätten aufgegeben, viele seien mit der Situation überfordert gewesen. "Wir müssen uns vor Augen führen, dass für einige unserer Gäste mit Beginn der Pandemie ihre sozialen Kontakte, die sie über die Tagespflege hatten, endeten", sagt die Tagespflege-Leiterin.
Sie räumt ein, dass für einige Gäste der Start in der Tagespflege nicht einfach sei. "Ich erinnere mich, dass wir in einer Woche sieben Gäste aufgenommen haben, wo es immer Überredungskunst der Angehörigen brauchte. Aber nach einiger Zeit waren sie traurig, wenn sie am Nachmittag von ihren Angehörigen abgeholt wurden. Wer bei uns aufgenommen wird, sollte noch teilnehmen und teilhaben können an dem, was wir anbieten, und Freude an Begegnung haben", sagt Petra Beck.
Manche Gäste sind körperlich und infolge von demenziellen Veränderungen eingeschränkt. Aber mit der richtigen Ansprache könne man auch sie gut motivieren, mitzumachen, sagt Inge Jürgens: "Die haben viel mehr drauf, als nur im Sessel zu sitzen", sagt die gelernte Hauswirtschafterin, die hier seit fünf Jahren arbeitet.
In der Zeit der Pandemie, als die Tagespflege Nettetal geschlossen war, hat sie in der ambulanten Pflege geholfen, eine für sie wichtige Erfahrung. "Ich habe Hochachtung vor dem, was die Kolleginnen und Kollegen in der ambulanten Pflege leisten", sagt sie. Und Petra Beck ist überzeugt davon, dass die Tagespflege die ambulante Pflege entlasten könnte, wenn es flexiblere Öffnungszeiten gäbe.
Auch für Christine Fellner war die Zeit, als die Tagespflege geschlossen war, nicht schön. "Da war ich noch mehr an zu Hause gebunden. Ich habe meine Schwester dann tagsüber zu mir in die Wohnung geholt, da konnte ich besser auf sie achten, und es war alles leichter für mich", sagt sie. Eine Tagespflege zu haben sei für sie eine große Entlastung.
Marianne Küster kommt gerne in die Tagespflege. "Das Personal geht sehr gut auf uns Gäste ein", sagt sie. Sie findet auch gut, dass sie und die anderen Wünsche äußern dürfen, was es zu essen geben soll. Sie esse eigentlich alles, sagt sie, nur warme Möhren mag die 85-Jährige nicht. Die gibt es heute nicht. Aus der Küche duftet es nach frischer Gemüsesuppe mit Würstchen. "Es ist uns wichtig, dass wir hier immer mit frischen Zutaten kochen, regional und saisonal", sagt Petra Beck.
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Tagespflege Nettetal
Lambertimarkt 1
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E-Mail: tagespflege-nettetal@caritas-viersen.de