Wie pflegen wir, und wie werden wir gepflegt?
Wer Antworten auf diese Fragen gibt, gestaltet die Zukunft der Pflege mit. Zukunftsfragen sind nicht nur Bildung, Digitalisierung, Klimawandel. Auch die Sicherstellung der Pflegeleistungen wird eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft sein.
Wer auf das Thema "Zukunft der Pflege" keine Antwort gibt, lässt alle Generationen im Stich: diejenigen, die Pflege brauchen, diejenigen, deren Angehörige gepflegt werden, und diejenigen, die Pflegeleistungen erbringen, seien es Leistungen für Angehörige oder in Diensten und Einrichtungen der Altenpflege.
Anzuerkennen ist: Kurz vor der Bundestagswahl haben Bundestag und Bundesrat wichtige Weichenstellungen in der Pflegepolitik vorgenommen. Zu nennen ist hier die Personalbemessung in der stationären Pflege. Ein weiterer Fortschritt ist: Der Gesetzgeber knüpft ab 2022 die Bezahlung von Leistungen aus der Pflegeversicherung in der ambulanten und stationären Pflege an eine Bedingung: dass sie von Pflegekräften erbracht werden, die nach Tarif oder tarifähnlichen Regelwerken bezahlt werden. Auch dass die Politik einen - wenn auch zögerlichen - Lösungsansatz für die Eingrenzung der Eigenanteile für Pflegebedürftige in vollstationären Pflegeeinrichtungen beschlossen hat, ist gut. So gehen steigende Kosten nicht vollständig zu deren Lasten. Das beugt Altersarmut vor, zeigt aber insgesamt auch, dass viele staatliche Vorgaben einen beträchtlichen bürokratischen Mehraufwand für die Pflegedienste und -einrichtungen zur Folge haben.
Deutlich bleibt aber: Eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung ist notwendig, damit diese Sozialversicherung wirklich die zukünftige Entwicklung ausreichend absichert. Auch in der häuslichen Pflege müssen die Menschen dringend Entlastung erfahren. Dies betrifft nicht zuletzt auch pflegende Angehörige. Ihr Einsatz ist sowohl finanziell als auch durch professionelle Beratungs- und Unterstützungsleistungen deutlich stärker zu fördern. Für die Pflege mehr Geld zu investieren darf kein Almosen, sondern muss eine solidarische Verpflichtung sein. Hierzu gehört auch, dass sich die Arbeitsbedingungen für die professionellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ambulanten Pflegedienste wesentlich verbessern müssen. Und damit digitale Anwendungen die erhofften Erleichterungen bieten, dürfen sich die Entwicklung und Einführung nicht weiter so schleppend hinziehen.
Um dem heute schon präsenten Fachkräftemangel in der Pflege zu begegnen, braucht es vor allem den Anreiz durch attraktive Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, um engagierte Menschen zu gewinnen, die den vielfältigen Herausforderungen der Aufgabe gewachsen sind. Und auch hier gilt: Die Finanzierungsgrundlagen müssen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, und es dürfen nicht nur die Menschen mit Pflegebedürftigkeit hierfür weiterhin zur Kasse gebeten werden.
Die in der vergangenen Legislaturperiode vom Bundesministerium für Gesundheit angekündigte Absicht, sogenannte Stapelleistungen, also die Nutzung mehrerer ergänzender Leistungen aus der Pflegeversicherung (SGB XI), die den Verbleib in der gewohnten häuslichen Umgebung sichern, zu verhindern, wurde zunächst nicht umgesetzt. Das ist gut, da grundsätzlich nur verschiedene sich ergänzende Leistungen den Verbleib in der häuslichen Umgebung sichern können und zum Erhalt der Selbstversorgungskompetenz notwendig bleiben. Lediglich die missbräuchliche Doppelfinanzierung von Leistungen sollte ausgeschlossen werden. Unterm Strich: Die Pläne zur Verhinderung von sogenannten Stapelleistungen müssen bleiben, wo sie sind: in der Schublade.
Hierzu braucht es Anerkennung der in der Pflege Tätigen. Den Einsatz aller kostet es, über Pflegekräfte anerkennend zu sprechen und eine wertschätzende Haltung einzunehmen. Wer diese reduziert auf billige Hilfskräfte, legt die Hand an das Image eines Berufes, der vielen Menschen ein würdiges Leben im Alter sichert, irgendwann auch uns selbst.