Gegen die Lärmtrompeten des Nichts
Der umfassend gebildete und belesene Katholik, eher klein von Gestalt, mit Brille und freundlichen Augen, war ein Arbeitstier, der sich sensibel und im sicheren Urteil dem oberflächlichen Zeitgeist verweigerte. Redaktionssitzungen dauerten unter seiner Ägide manchmal halbe Tage, es wurde heftig und kontrovers diskutiert, auch sollen schon mal Tränen geflossen sein. Kock drückte dem Heft seinen Stempel auf, zusammen mit seiner Sekretärin Louise Werthenbruch machte er auch gleich das Layout für erst sechs, später fünf Ausgaben im Jahr mit jeweils bis zu 90 Seiten - und die Resonanz war gut.
Nur der Butler vom Böll?
Aber der Reihe nach: Geboren 1925 in Münster, war Kock Schüler des Gymnasium Paulinum (eine Gemeinsamkeit mit dem heutigen Chefredakteur, M. L.) und geriet als Soldat 1944 in das Mündungsfeuer russischer Panzer. "Den Krieg habe ich nur überlebt, weil meine Mutter täglich für mich gebetet hat. Davon bin ich fest überzeugt", sagte er einmal gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger. In der Kriegsgefangenschaft musste er in Bordeaux die Leichen anderer Gefangener begraben, die an Krankheit und Hunger gestorben waren.
Aber die Gefangenschaft bot ihm auch die Initialzündung für seinen späteren Werdegang: In Chartres studierte Kock im sogenannten "Stacheldraht-Seminar" unter Leitung des legendären Abbé Franz Stock katholische Theologie, Philosophie und Germanistik.
Seit 1953 lebte er in Köln und wirkte publizistisch für Zeitungen, Zeitschriften, später auch für Rundfunk und Fernsehen. Als er für den WDR eine Aufnahme zu machen hatte, lernte er Heinrich Böll kennen, der ihn 1961 als seinen Sekretär engagierte. "Ich hatte Briefwechsel zu führen mit Leuten, die Heinrich sich vom Leibe halten wollte", sagte Kock einmal, aber natürlich arbeitete er Böll auch organisatorisch und publizistisch zu. Er recherchierte für die Romane "Ansichten eines Clowns" und "Ende einer Dienstfahrt", begleitete Böll zu Nietzsches Grab nach Weimar, las seine Aufsätze, redigierte Interviews, kümmerte sich um Bittsteller aus dem Ostblock, aber auch aus Bölls eigener Familie. "Er war der große Nothelfer, man hat ihn zwar nicht bettelarm gemacht, aber er hat auch nie vergessen, wie es ihm selbst ergangen war, wie er nach dem Krieg über Land tingelte und sich seine 50 oder 100 Mark bei Lesungen zusammenverdiente", erzählte Kock später einmal.
Ein bekannter deutscher Schriftsteller habe gesagt: "Der Kock ist ja nur der Butler vom Böll", aber "es war mehr, als wenn ich nur der Butler gewesen wäre. Ich war auch mehr als ein Freund", sagte Kock.
Was dann 1968 nicht mehr so richtig passte. Kock wollte stärker seinen eigenen schriftstellerischen Ambitionen nachgehen, wollte aber ebenfalls Böll entlasten, der sich wohl auch um Kocks familiäres und finanzielles Wohlergehen gesorgt hatte. Unterschiedliche gesellschaftspolitische Auffassungen beförderten die Trennung. Bölls kirchenkritische, linksliberale politische Haltung, die ihn später bis zur Relativierung von Terrortaten der Roten-Armee-Fraktion und Parteinahme für Ulrike Meinhof trieb, wollte Kock nicht mehr länger aus der Nähe flankieren.
Der Kölner Pater Johannes Braß, der Kock aus dem "Stacheldraht-Seminar" in der Kriegsgefangenschaft kannte, empfahl ihn bei der Caritas, als diese jemanden suchte, der eine gemeinsame Zeitschrift aufbauen konnte. Treibende Kraft bei diesem Vorhaben war der Kölner Diözesan-Caritasdirektor Ulrich Brisch, der dann als Vertreter der Herausgeber den Kontakt zur Redaktion hielt. "Brisch verdanke ich meine Festanstellung, auch den Vertrag, der sehr gut ausfiel, und auch die Großzügigkeit, mit der er mir vertraute, mir die Freiheit ließ", sagte Kock.
Und Kock legte los: "Ich gewann viele Autoren aus der Fachhochschule, prominente Autoren aus Kirche und Gesellschaft." Nicht ohne Stolz in der Stimme zählte er sie einmal auf: Karl Rahner, Heinrich Spaemann, Klaus Hemmerle, Hans Urs von Balthasar, Paderborns Kardinal Jaeger, auch Walter Dierks (der bedeutende katholische Publizist), die renommierte Allensbacher Meinungsforscherin Elisabeth Neumann (später Noelle-Neumann). Karl Lehmann, der spätere Kardinal, schrieb für "caritas in NRW", "da war er noch Professor in Freiburg". Es fehlte nicht an Stimmen.
Und Kock brachte neue Themen in die Caritas-Welt: "Caritas und Literatur", "Caritas und Musik", er schrieb über Annette von Droste-Hülshoff, "die sozial sehr viel gemacht hat, was kaum einer weiß", über die Fürstin von Gallitzin, er brachte den Pfingstzyklus von Franz Werfel ins Heft, "den keiner kannte", Beiträge über Pater Rupert Mayer aus München, über Edith Stein. "Geistige Bildung, die hatte ich, die brachte ich mit", sagte Kock.
Es waren andere Zeiten und wohl auch andere Arbeitsformen als heute. In seinem Büro im obersten Stock des DiCV Köln hatte er eine Feldliege aufgestellt, auf der er sich mittags zur Ruhe legte. Kam der damalige Diözesan-Caritasdirektor Ulrich Brisch in sein Büro, so empfing Erich Kock seinen Chef wohl auch schon mal liegend. Die Anekdote ging im Haus herum, aber ihn focht das nicht an.
Die Resonanz war gut. "Man hatte das Gefühl, das ist nicht nur ein Gemurmel, sondern überlegt." Und die nordrhein-westfälischen Diözesan-Caritasverbände begannen, einander stärker wahrzunehmen. Dabei habe keiner anfangs geglaubt, "dass das Ding länger leben würde". Im Gespräch, das ich selbst 2003 mit ihm führen konnte, deutete Kock nur sehr vorsichtig an, wie groß die Unterschiede in Mentalität, Vorbildung, Selbstverständnis zwischen den Diözesan-Caritasverbänden und ihren damaligen Direktoren gewesen sind.
Insofern stiftete die gemeinsame Zeitschrift etwas Verbindendes. "Man braucht etwas Sichtbares, wo man sich wiederfindet, wenn man an verschiedenen Orten lebt." Da "caritas in NRW" ja "von allen gemacht wurde, und zwar gemeinsam", diente die Zeitschrift dem Austausch und langfristig der Identitätsstiftung. Mitglieder der Redaktion waren von Anfang an Verantwortliche für das gerade erst an Bedeutung zunehmende Arbeitsfeld der Öffentlichkeitsarbeit aus allen Diözesan-Caritasverbänden. Man diskutierte, man lernte voneinander und gemeinsam, man stritt und raufte sich zusammen - denn das Produkt, die gemeinsame Zeitschrift, musste ja dann doch irgendwann erscheinen.
Der Deutsche Caritasverband in Freiburg merkte, "dass sich da etwas entwickelt, was nicht nur eine lokale Instanz ist", sondern Themen setzt: "Man hat uns ehrlich beneidet."
Doch Erich Kocks Wirken ging über die Redaktionsarbeit hinaus. Er machte weiter Filme, meist für den WDR, arbeitete in Gremien des Deutschen Caritasverbandes mit, schob dort die Öffentlichkeitsarbeit an. 1977 erhielt er den Katholischen Journalistenpreis der Deutschen Bischofskonferenz und 1990 den "Silbernen Brotteller", die höchste Auszeichnung des Deutschen Caritasverbandes.
Ohne Erich Kock hätte die gemeinsame Zeitschrift der fünf Diözesan-Caritasverbände nicht ihre Wirkung entfalten können. Die gesamte Öffentlichkeitsarbeit der Caritas in NRW verdankte ihm einen gewaltigen Schub der Professionalisierung in einer Zeit, als das Medien-Handwerk noch nicht zum üblichen Verbandsgeschäft gehörte.
Als er 2016 im Alter von 90 Jahren in Köln-Müngersdorf starb, hinterließ er ein umfangreiches literarisches Werk mit Büchern über seine Heimatstadt Münster, sein geliebtes Flandern, die Aufarbeitung der NS-Diktatur bis hin zu Biografien und Essays über Persönlichkeiten der Geschichte und Gegenwart. Mit Nelly Sachs, Julien Green, Robert Spaemann, Ernst Jünger, Lew Kopelew, Gabriel Marcel, Josef Pieper und dem emeritierten Papst Benedikt XVI. verbanden ihn Freundschaften und Briefwechsel.
In seiner Frömmigkeit und Beheimatung im Glauben fühlte sich Kock wohlgeborgen. Dass sich das katholische Milieu auflöste, dass er einer vergehenden Zeit angehörte, hat er gespürt - wach und interessiert, wie er war. Einer Zeit, die er publizistisch mitgestaltet hatte und die doch der Dynamik des Fortschritts, der Säkularisierung, der Moderne nicht hatte standhalten können. Auf die Frage, was ihm später einmal nachgesagt werden solle, antwortete Erich Kock im Interview für die Gemeinschaft katholischer Publizisten, der er angehörte: "Dass ich den Respekt vor Menschen und ihren Idealen zu bewahren versucht habe; dass ich gegen die Lärmtrompeten des Nichts angeschrieben habe; dass ich an der Verleumdung der katholischen Kirche nicht mitgewirkt habe." Als ich ihn 2003 in seinem Haus in Köln-Müngersdorf besuchte, schenkte er mir zum Abschied ein Marienbuch: "Du Grund unserer Freude".
Dieser Beitrag erschien zuerst im November 2022 in einer Sonderausgabe der Zeitschrift "caritas in NRW" aus Anlass des 50jährigen Erscheinens.