Der Gutmensch läuft Marathon
Schule/Kinder, Jugendliche
Kinder und Jugendliche haben größtenteils den Weg in die Schule und die Gesellschaft gefunden.
In NRW sind Kinder und Jugendliche, die in Landesunterkünften leben, von der Schulpflicht ausgenommen. Das verstößt gegen das Kinderrecht auf Bildung (Kinderrechtskonvention). Bis zu sechs Monate leben sie an diesem nicht kindgerechten Ort und verlieren zugleich nach einer oft langen Fluchtgeschichte noch mehr den Anschluss. Auch bei einer Rückkehr in das Herkunftsland fehlen wichtiger Schulstoff und -erlebnisse.
Kindern von Asylsuchenden muss ein uneingeschränkter Zugang zu Bildung und Teilhabe in NRW ermöglicht werden.
Arbeitsmarkt
Circa 60 Prozent der seit 2015 nach Deutschland Geflüchteten sind erwerbstätig (Stand Februar 2020). Zudem gehen mehr Personen einer Fachkrafttätigkeit nach als früher. Dieser Erfolg bei der Integration in den Arbeitsmarkt ging im Vergleich zu früheren Gruppen Geflüchteter schneller.
Das Land NRW hat mit der Initiative "Durchstarten in Ausbildung und Arbeit" die Gruppe der geduldeten jungen Menschen in den Blick genommen und möchte somit möglichst vielen Personen den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen.
Die Erwerbstätigkeit von geflüchteten und mittlerweile arbeitsberechtigten Frauen seit 2015 ist noch auf einem sehr niedrigen Niveau, da passgenaue Arbeitsmarktinstrumente fehlen.
Die Arbeitslosigkeit unter Geflüchteten ist coronabedingt stärker als im Durchschnitt der Gesamtbeschäftigten gestiegen - was der vorherigen positiven Entwicklung entgegenwirkt. Gründe hierfür sind, dass Menschen mit Fluchthintergrund häufiger in der Gastronomie oder über Leiharbeit angestellt waren. Ebenso spielten die oftmals kürzere Betriebsangehörigkeit und Beschäftigung in kleineren Unternehmen ohne große Rücklagen eine Rolle.
Es müssen bedarfsorientiertere und flexiblere Arbeitsmarktinstrumente auch für Frauen mit anerkanntem Schutzstatus geschaffen werden.
Kooperation des Hauptamtes und des Ehrenamtes
Im Jahr 2015 wurden viele Ehrenamtsinitiativen aus dem Nichts aktiv. Es hat sich gezeigt, dass in Deutschland eine solidaritätsbewusste Zivilgesellschaft existiert. In der hauptamtlichen Arbeit mit Asyl- und Schutzsuchenden ist die Kooperation mit dem Ehrenamt sehr wertvoll und notwendig. Ohne das ehrenamtliche Engagement der vielen wäre die Notversorgung der Menschen vor allem 2015 und 2016 nicht möglich gewesen.
Sowohl Hauptamtliche als auch Ehrenamtliche wurden in der Öffentlichkeit durch die Polarisierung der Debatte um Asyl- und Fluchtmigration kritisiert, beleidigt und bedroht.
Die Sprache in der Gesellschaft und vor allem auch in der Politik sollte sich versachlichen. "Asyltourismus", "Mutter aller Probleme" etc. sollten sich als Begrifflichkeiten nicht etablieren. Hier ist mehr Reflexion angebracht. Eine jede und ein jeder kann hier einen Beitrag zu einer weniger polarisierenden Sprache leisten.
Landesunterkünfte
Mittlerweile ist die Zahl der neu nach NRW einreisenden Asyl- und Schutzsuchenden stark gesunken, sodass das Land NRW auch einige der Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) geschlossen hat.
2018 wurde in NRW der sogenannte Asylstufenplan erlassen, unter anderem mit der Begründung, dass die nordrhein-westfälischen Kommunen entlastet werden sollen.
Dieser Plan sieht vor, dass Menschen im sogenannten "beschleunigten Verfahren" teilweise für unbefristete Zeit in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen in NRW festgehalten werden dürfen.
Es besteht die Gefahr, dass diese Menschen nach sehr langer Aufenthaltszeit ohne Arbeit, Schule und sinnvolle Freizeitbeschäftigung später eine umso größere Belastung für die Kommunen werden.
Aufnahmeeinrichtungen des Landes dürfen nicht primär als Orte der Ablehnung, Abschreckung und Ausweisung konzipiert werden. Menschen dürfen nicht aufgrund eines vermeintlich "sicheren Herkunftslandes" vorsortiert werden. Die Maßnahmen des Asylstufenplans sollten daher zurückgenommen werden.
Eine gute Integration sollte auch den Menschen ermöglicht werden, die nach Deutschland kommen, um hier Asyl und Schutz zu suchen. Daher sollten die Menschen dezentral und kommunal untergebracht werden, idealerweise sofort.
Integrationspolitische Infrastruktur in NRW
NRW hält eine bundesweit einmalige Integrationsinfrastruktur vor, die auf drei Säulen ruht:
- Kommunale Integrationszentren (KIs)
- bei den Wohlfahrtsverbänden angesiedelte Integrationsagenturen (IAs)
- Migrantenselbstorganisationen (MSOs)
Dadurch sind die Chancen für Migranten, Unterstützung im Integrationsprozess zu erhalten, sehr groß. Laut Integrationsmonitor ist das Integrationsklima in NRW am besten.
2018 gründete das Land NRW einen Integrationsbeirat. Eine der Aufgaben des Beirats war die Erarbeitung der Integrationsstrategie 2030.
Sowohl Integrationsbeirat als auch Integrationsstrategie sind willkommene Schritte für NRWs Zukunft. Allerdings fehlen hier noch verbindlichere Zusagen für die Caritas und die Freie Wohlfahrt insgesamt. Insbesondere die Einführung des sogenannten "Kommunalen Integrationsmanagements" (KIM) im Jahr 2020 lässt aktuell noch viele Fragen offen. So sollen viele Stellen in den Kommunen geschaffen werden, die sich um die Integration im Sozialraum kümmern sollen und zudem auch Fallberatung anbieten sollen. Dies bedeutet im ersten Schritt eine Doppelstruktur zu den etablierten Strukturen der Freien Wohlfahrt mit ihren Migrationsfachdiensten, und es bedarf noch vieler Abstimmungsschritte auf allen Ebenen.
Der in NRW etablierte Dreiklang in der integrationspolitischen Infrastruktur sollte beibehalten werden. Hierbei ist jedoch auf eine partnerschaftliche Kooperation auf Augenhöhe zu achten. Personelle Überhänge in den Kommunen und Doppelstrukturen sollten eher abgebaut als vergrößert werden. Hier gilt es besonders, das Prinzip der Subsidiarität zu beachten.
Ausgrenzung und Abwertung
2015 wurde auf Bundesebene das Programm "Demokratie leben!" eingeführt, um gegen Rechtsextremismus und Diskriminierung mithilfe der Zivilgesellschaft vorzugehen. Die Mittel wurden bis 2024 verlängert.
Auf Landesebene wurden die Servicestellen Antidiskriminierungsarbeit (ADA) zunächst 2017 und erneut 2020 ausgebaut.
Die auch in Deutschland stärker präsente "Black Lives Matter"-Bewegung macht deutlich, dass auch abseits von Anschlägen noch Alltagsrassismus, Ungerechtigkeiten und Machtungleichheiten in Deutschland existieren und nicht ausreichend angegangen werden.
Vielfaltskompetenz als verpflichtendes Schulfach, eine gesetzliche Bestimmung zur Berücksichtigung der ethnischen Vielfalt bei staatlichen Fördergeldern jedweder Art, erheblicher Ausbau von Sprachangeboten, zugeschnitten auf verschiedene Bildungsstufen, kommunales Wahlrecht für alle Zugewanderten in Abhängigkeit von ihrer Lebenszeit hier.
Klare rechtliche Verfolgung und Bestrafung von Rassismus und Diskriminierung, Anerkennung von Mehrsprachigkeit und individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit Flucht- und Migrationsgeschichte.
Eine Übersicht, zusammengestellt von den Referent*innen Integration & Migration der Diözesan-Caritasverbände in NRW
Legende
Was ist gut gelaufen?
Was nicht so gut?
Forderungen der Caritas