Kriterien sind Qualität und Fachlichkeit
Das Kinder- und Jugendhilferecht sieht solche Rahmenverträge vor. Sie dienten seit 2003 als verbindliche Grundlage für die Einzelvereinbarungen nach § 78c SGB VIII und stellten landesweit vergleichbare Bedingungen für die örtlichen Verhandlungen der einzelnen Anbieter mit den Kommunen als Kostenträgern sicher. Die Verträge folgten den Maximen der Fachlichkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Leistungen und Kosten sollten transparent werden, zudem sollten die Landesrahmenverträge gewährleisten, dass die finanziellen Mittel effizient eingesetzt werden. Vertragspartner waren die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen, die Vereinigungen sonstiger Leistungserbringer sowie die kommunalen Spitzenverbände. Zur Beratung der örtlichen Träger bei der Gewährung von Hilfen zur Erziehung und zum Schutz von Kindern nach SGB VIII wurden die Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe ebenfalls beteiligt.
Zum 31. Dezember 2012 kündigten die kommunalen Spitzenverbände die Rahmenverträge. Aus ihrer Sicht waren die Kosten zu stark gestiegen. Im Jahr 2013 verhandelten die Vertragspartner ergebnislos über den Abschluss eines neuen Landesrahmenvertrages I. Weitere Verhandlungen wurden ausgesetzt. Hauptknackpunkte waren damals die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände, den Auslastungsgrad der Einrichtungen von bisher 93 Prozent auf 97 Prozent zu erhöhen und Angebote im Intensivbereich stark zurückzufahren. Eine solch hohe Auslastungsquote wäre für viele kleine Einrichtungen existenzbedrohend gewesen. Aus fachlicher Sicht bestand darüber hinaus die Sorge, dass eine solche Quote ganzjährig nur durch Überbelegungen in den Einrichtungen zu gewährleisten sei. Als eine weitere Ursache für den Kostenanstieg wurde von den kommunalen Spitzenverbänden die Entwicklung gesehen, dass freie Träger immer mehr Intensivangebote etablieren. Im Verlauf der Verhandlungen wurde wiederholt und kontrovers diskutiert, ob sich diese Entwicklung am wirklichen Bedarf und an der Nachfrage der Jugendämter orientiert oder ob die Einrichtungen mit der Umwandlung von Regelplätzen in Intensivplätze nicht einfach Fakten schaffen. Hier konnte und wollte die Freie Wohlfahrtspflege bei der geforderten massiven Reduzierung der Angebote nicht mitgehen.
Die kommunalen Spitzenverbände empfahlen Ende 2013 den Jugendämtern, für Verhandlungen von Leistungen und Entgelten nicht mehr von pauschalen Fortschreibungen Gebrauch zu machen. Auch sollten sie die Angebotsentwicklung nicht mehr allein den Leistungsanbietern, also den freien Trägern, überlassen, sondern eigene Vorstellungen zu Leistungsstrukturen und pädagogischer Dichte mit Kostendämpfungseffekten in die Verhandlungen einbringen.
Neue Verhandlungen ab 2019
Ab 2015 dominierte die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge die fachliche Diskussion und rückte das Thema Kostendämpfung völlig in den Hintergrund. Ende 2016 gab es in NRW mehr als 11000 unbegleitete Minderjährige, um deren Unterbringung und Wohl sich die Jugendämter kümmern mussten. Im engen Schulterschluss mit den Einrichtungen wurden in kurzer Zeit adäquate Plätze geschaffen.
2017 sollte auf Wunsch der kommunalen Spitzenverbände die Verhandlungen wiederaufgenommen werden. Der Wechsel des Verhandlungsführers der kommunalen Spitzenverbände ins Heimatministerium verhinderte jedoch den Beginn. Nun soll der Startschuss für neue Verhandlungen im ersten Quartal 2019 fallen. Für die Freie Wohlfahrtspflege wird Helga Siemens-Weibring, Vorsitzende des Arbeitsausschusses Familie, Jugend, Frauen der LAG FW, die Verhandlungen führen, alle Verbandsgruppen haben die Möglichkeit, zwei Personen für die Verhandlungen zu benennen. Die Landesjugendämter werden ebenfalls in der Verhandlungsrunde sein.
Trotz der 2012 erfolgten Kündigung des Rahmenvertrages orientieren sich alle ehemaligen Vertragspartner und auch das Landesjugendamt bis heute weiter am alten Vertrag. Die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern wird überwiegend als partnerschaftlich und gut sowie am Wohl der Kinder und Jugendlichen orientiert empfunden. Für die Träger der Freien Wohlfahrtspflege besteht daher zurzeit keine zwingende Notwendigkeit, einen neuen Vertrag zu verhandeln, sie stehen jedoch weiterhin neuen Vertragsverhandlungen positiv gegenüber. Trotzdem werden sie nur dann einem neuen Rahmenvertrag zustimmen, wenn sich dieser an Qualitätskriterien und Fachlichkeit orientiert und nicht nur der Maxime der Kostenreduzierung folgt. Immer wieder haben die Wohlfahrtsverbände und die Fachwelt auf die gesellschaftlichen und sozialpolitischen Ursachen für die Zunahme der Hilfen zur Erziehung und die damit verbundene Kostensteigerung hingewiesen. Unter den Familien, die Hilfen zur Erziehung beantragen, sind verstärkt Empfänger von Grundsicherung für Arbeitslose sowie alleinerziehende Mütter. Es findet eine immer größer werdende Prekarisierung von Lebenslagen von Familien statt. Die Kosten dürfen aus Sicht der Freien Wohlfahrtspflege nicht zu Lasten von Kindern und ihren Familien gesenkt werden. Das wäre das völlig falsche Signal.
Als Sprecherin des Fachausschusses Rahmenvertrag der LAG FW wird die Autorin an den Verhandlungen für einen neuen Rahmenvertrag teilnehmen.