Generalistik jetzt!
Demonstration von Altenpflegeschüler(inne)n im Mai vor dem Düsseldorfer Landtag. Gefordert wird auch eine bessere Finanzierung der Pflegeschulen.Markus Lahrmann
Mit der Einführung der Altenpflegeumlage im Jahr 2012 hat das Land NRW einen wichtigen Schritt getan, um die Bereitschaft der Träger von Pflegeeinrichtungen und -diensten zu fördern, mehr Auszubildende als bisher einzustellen.
Die Einführung der Altenpflegeumlage war sehr erfolgreich, so dass die Ausbildungsplätze auf knapp 16000 anstiegen. Leider wurde der weiter notwendige Schritt, die angemessene Finanzierung der Fachseminare für Altenpflege zu sichern, nicht getan. Es ist unstrittig, dass die vom Land gewährte Erstattung von 280 Euro pro Auszubildenden im Monat nicht ausreichend ist, um die geforderte Ausbildungsqualität zu ermöglichen. Die Träger der Fachseminare suchen daher nach Subventionsmöglichkeiten, um den Auszubildenden dennoch das Erreichen des Berufsabschlusses zu ermöglichen. Die Not der Fachseminare wird deutlich, wenn man den Aufruf des Berufsverbandes Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe (BLGS) sieht, alle Einrichtungen und Dienste, die Auszubildende in ein Fachseminar schicken, mit 40 bis 60 Euro an den Schulkosten zu beteiligen.
Im Entwurf eines geplanten Gesetzes zur finanziellen Beteiligung des Landes NRW an den Schulkosten der Altenpflegeausbildung ist weiterhin der Betrag von 280 Euro vorgesehen. Es ist zu befürchten, dass dieser Betrag aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht angehoben wird. Hier sind auch die intensiven Bemühungen des Ministeriums für Gesundheit und Alter (MGEPA) nicht erfolgreich, da der Finanzminister sich stur stellt.
Aufgenommen im Koalitionsvertrag
Ein wichtiger Beitrag, dem Dilemma anders zu begegnen, wäre die Zusammenführung der verschiedenen Ausbildungsgänge in den Berufen in der Pflege zu einer generalistischen Pflegeausbildung. Das Vorhaben ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aufgenommen worden, allerdings war es auch schon Gegenstand der Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Gelb im Jahr 2009. Erfreulicherweise erreichen uns derzeit positive Signale von Bundes- und Länderebene. So haben sich die Gesundheits- und Sozialminister der Länder in ihrer Sondersitzung Mitte April in Berlin für die generalistische Ausbildung ausgesprochen. Auch hochrangige Politiker wie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Karl-Josef Laumann (CDU), Patientenbeauftragter und Pflege-Bevollmächtigter der Bundesregierung, haben angekündigt, diese Reform zügig anzugehen.
Mit der Umsetzung einer generalistischen Pflegeausbildung sind mehrere Ziele zu erreichen:
- Die Ausbildung ermöglicht, das Berufsprofil den zukünftigen Anforderungen im Gesundheits- und Pflegebereich anzupassen: Aufgrund des demografischen Wandels mit Zunahme hochaltriger, multimorbider Menschen benötigen wir im Akutbereich vermehrt altenpflegerische Kompetenz, in den Einrichtungen der Altenhilfe benötigen wir allerdings mehr medizinpflegerische Kompetenz.
- Die generalistische Ausbildung erfordert eine einheitliche Finanzierung der Theorie und Praxis. Hier zeigt das vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebene Forschungsgutachten zur Finanzierung eines neuen Pflegeberufegesetzes vom Oktober 2013 die unterschiedlichen Finanzierungsvarianten auf. Die beauftragten Institute "prognos" und "wiad" berechnen, dass die Gesamtkosten einer reformierten Ausbildung bei rund 2,7 Mrd. Euro liegen und somit 305 Mio. höher als bisher. ca. 150 Mio. Euro (49 Prozent) sind laut Gutachten "unabhängig von der Generalistik erforderlich, um die Ausbildung der Pflegeberufe auf einen den modernen Anforderungen angemessenen Stand anzuheben". Sie zeigen allerdings auch auf, dass, bezogen auf die heutigen Ausbildungskosten, nur ca. vier Prozent der Kostensteigerung durch die Generalistik ausgelöst würden.
- Die generalistische Ausbildung fördert die Attraktivität des Berufes. Die heutige Ausbildung in der Pflege bringt es mit sich, dass nur der Abschluss in der Krankenpflege in der EU automatisch anerkannt wird. Auch ist die Wechselmöglichkeit insbesondere der Altenpfleger/-innen in ein eher akut-pflegerisches Arbeitsfeld wie Krankenhaus und Sozialstationen eingeschränkter als die der Gesundheits- und Krankenpfleger/-innen. Junge Menschen möchten jedoch einen Beruf erlernen, der ihnen breit gefächerte Perspektiven im ganzen Feld des Gesundheits- und Pflegewesens bietet.
Selbstverständlich müssen die Rahmenbedingungen der praktischen Pflege gleichzeitig so ausgestaltet werden, dass die Berufsmotivation der Auszubildenden, mit Menschen zu arbeiten, sich in der Praxis realisieren lässt.
Wenn wir in Deutschland tatsächlich eine qualifizierte zukunftsorientierte Pflegeausbildung wollen, muss die generalistische Ausbildung mit einem neuen Berufegesetz jetzt angegangen werden.