Warmes Wasser liefert die Sonne
Strahlend dreht Marianna Mekhakyan den Hahn auf. "Fühlen Sie mal", sagt sie, als warmes Wasser aus der Leitung fließt. "Ich bin sehr zufrieden", sagt sie über ihre neue Solarthermie-Anlage. Die Sonne heizt den Speicher manchmal sogar bis über 90 Grad auf, und es ist immer genug Wasser da, dass die ganze Familie abends duschen kann. Stolz zeigt Marianna Mekhakyan die mit rauen Steinen selbst gemauerte Duschkabine. Zum ersten Mal in ihrem Leben verfügt die sechsköpfige Familie über fließendes Warmwasser.
Die Mekhakyans, Eltern und vier kleine Kinder, wohnen in dem Dorf Gharibdjanian im Nordwesten Armeniens. Die Familie gehört zu den Begünstigten eines Erneuerbare-Energien-Projektes, das die Caritas Armenien mit deutscher Hilfe umsetzt. Geldgeber ist das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), das hier Entwicklungshilfe mit Klimazielen verbindet. Unterstützt wird die Caritas Armenien vom deutschen Hilfswerk Caritas international, das nicht nur Expertenwissen, sondern zum Gesamtbudget von 600000 Euro auch rund 143000 Euro aus Spendenmitteln beisteuert.
Damit unterstützt das Caritas-Projekt rund 1700 Menschen aus 340 einkommensschwachen Haushalten, damit sie klimafreundlicher heizen und weniger Geld für Heizmaterial ausgeben müssen. Auch vier Gemeinschaftseinrichtungen wie zum Beispiel der Kindergarten im Nachbardorf profitieren von der Installation von Solarthermie oder Photovoltaik. Die meisten der Gemeinden in der Provinz Shirak, eine halbe Autostunde von der Stadt Gjumri entfernt, sind nicht an das Erdgasnetz angeschlossen. Deswegen sieht man überall in der ländlich geprägten Gegend auf Begrenzungsmauern, in Gärten oder direkt am Straßenrand braune rechteckige Platten aufgestellt oder gestapelt. Es handelt sich um Kuhdung, der, mit Stroh vermischt, zu Briketts geformt, zum Trocknen aufgestellt ist. Die Familien nutzen ihn zum Heizen, weil Brennholz in der baumarmen Gegend teuer ist. Die Winter sind kalt im bergigen Armenien, sehr kalt, es werden Temperaturen von minus 20 Grad erreicht.
In der Wohnung der Mekhakyans muss das Ofenrohr geglüht haben, denn an der Stelle, wo es die Wand hochgeführt wurde, ist die Tapete weggekohlt. Jetzt im Sommer ist der Ofen abgebaut, steht draußen. Im Winter belasten Wärmeverluste wegen fehlender Dämmung, niedrige Wirkungsgrade beim Verbrennen der Biomasse und dazu noch eine hohe Rauchbelastung der Raumluft die mittellosen Haushalte besonders.
"Früher hatten wir kein Bad", erzählt Marianna Mekhakyan. Wasser musste auf dem Ofen oder mit einer Art elektrischem Tauchsieder erhitzt werden. Eine gefährliche Methode, bei der es immer wieder zu Unfällen mit Kindern kommt. Die wirtschaftliche Situation der Familie ist prekär, der Mann hat nur ein kleines Einkommen als Fahrer, kann schwere Arbeit nicht leisten. Viele andere Familienväter arbeiten monatelang als Gastarbeiter vor allem in Russland, doch auch deren Löhne reichen infolge des Krieges und steigender Kosten nicht wirklich aus, um die Familien zu versorgen. Der Staat zahlt ein bisschen Kindergeld, für die vier Kinder der Mekhakyans umgerechnet rund 110 Euro im Monat.
Davon hat die Familie monatelang etwas abgezweigt, um den Eigenanteil von fünf Prozent für die Solaranlage leisten zu können. Rund 1200 Euro hat die Anlage gekostet, mit der 300 Liter Wasser erwärmt werden können. Pro Familienmitglied werden 50 Liter warmes Wasser am Tag kalkuliert. Einen Eigenanteil müssen alle Begünstigten aufbringen. "Ein Eigenanteil ist wichtig, damit die Familien die Solaranlage als ihr Eigentum ansehen und auf sie achten", sagt Armen Martirosyan, der bei der Caritas Armenien das Programm der erneuerbaren Energien koordiniert.
Weil Armenien über ein bedeutendes Potenzial an erneuerbaren Energien verfügt, ist das Programm ein guter Beitrag zum Klimaschutz. Die Sonne scheint hier an 300 Tagen im Jahr, die Sonneneinstrahlung liegt mit 1720 Kilowattstunden pro Quadratmeter deutlich höher als im europäischen Durchschnitt, der bei 1000 kWh/m2 liegt. Ursprünglich lief das Erneuerbare-Energien-Projekt von 2020 bis 2023, es wurde dann bis 2024 verlängert. Eine erste Auswertung hat ergeben, dass jede Solaranlage ca. drei Tonnen CO2 pro Jahr einspart. Damit könnte es auch als Vorbild für nachfolgende Klimaschutzprojekte dienen, die nicht mehr staatlich, sondern zum Beispiel über die private Klima-Kollekte finanziert werden.
Die Klima-Kollekte ist ein CO2-Kompensationsfonds christlicher Kirchen, über den Verbraucher ihren CO2-Ausstoß kompensieren können. Zum Beispiel wenn sie lange Flugreisen machen, dicke Autos fahren oder sonst im Alltag einen großen CO2-Abdruck hinterlassen. Die Ausgleichszahlungen aus der Klima-Kollekte müssen gezielt in Projekte in armen Ländern hauptsächlich des Globalen Südens investiert werden. Dort mindern sie zugleich die Armut vor Ort, indem sie Frauen stärken, Gesundheit schützen und Familien Perspektiven ermöglichen - zudem verringern sie den CO2-Ausstoß und schützen so das Klima. Auch die deutsche Caritas ist Gesellschafterin bei der Klima-Kollekte, die im Jahr 2011 gegründet wurde.
"Unsere Projekte in Armenien müssen nicht nur zum Klimaschutz, sondern auch zu den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen beitragen", sagt Martin Thalhammer, Länderreferent bei Caritas international. Sie haben damit zusätzlich positive ökologische, soziale und wirtschaftliche Auswirkungen in den Projektländern. "Ein energieeffizienter Herd trägt beispielsweise zusätzlich zu einer Reduzierung von Atembeschwerden bei, da er weniger Rauch entwickelt als eine herkömmliche Kochstelle." Und die Solarthermie-Anlagen in der armenischen Provinz Shirak verringern nicht nur den Verbrauch von Biomasse, sondern senken auch das Verletzungs- und Verbrühungsrisiko im Haushalt. "Solche Projekte erfüllen das höchste Maß an ökologischer Integrität und beinhalten gleichzeitig wichtige soziale Faktoren", so Thalhammer.