Für Menschen im Schleidener Tal Kräfte gebündelt
Der tägliche Austausch über die verbandlichen Grenzen hinweg tut allen im Hilfszentrum Schleidener Tal gut. Das Foto zeigt Dorothea Gehlen (r.) von der Caritas im Gespräch mit Elisabeth Frauenkron von der Arbeiterwohlfahrt und Norbert Niebes von den Maltesern.Foto: Thomas Hohenschue
Nach den verstörenden ersten Tagen, Wochen, Monaten, in denen sich alle erst einmal neu sortieren mussten und Soforthilfe leisteten, schloss man sich in der Region kurz. Mithilfe der Kommune mieteten die Malteser ein Haus in Schleiden-Gemünd an, gut gelegen, gut geschnitten, gut ausgestattet. Die Vision, die diesem Vertragsabschluss zugrunde lag, fand große Unterstützung bei den Partnern. Sie lautete: in Kooperation der regionalen Wohlfahrtsverbände ein gemeinsames Hilfszentrum zu etablieren, damit die Wege für Betroffene kurz und unbürokratisch sind.
Gedacht, gesagt, getan, erinnert sich Watfa Chouman von den Maltesern. Sie leitet das "Hilfszentrum Schleidener Tal". Mit an Bord in der täglichen Beratung und Hilfe an der Kölner Straße kamen und sind die Caritas und die Arbeiterwohlfahrt. Auch das Deutsche Rote Kreuz und das Diakonische Werk steuern Kapazitäten bei.
Aus Sicht der Mitarbeitenden, vor allem aber auch für die Betroffenen ist so eine optimale Situation geschaffen worden: "Viele Menschen wissen zunächst einmal gar nicht, wo ihnen der Kopf steht. Sie kommen mit Tausenden unsortierten Gedanken, Gefühlen, Fragen", schildert Dorothea Gehlen von der Caritas. So ist es gut, dass die Betroffenen im Grunde gar nicht wissen müssen, an wen sie sich im Hilfszentrum wenden sollen. Terminabsprachen sind hilfreich, aber spontane Besuche bleiben möglich. Niemand, der Hilfe sucht, wird abgewiesen, bekräftigt Elisabeth Frauenkron von der Arbeiterwohlfahrt. Und im Zweifel springt eine Kollegin oder ein Kollege ein.
Hilfe bei der Bürokratie
Im Beratungsgespräch lichtet sich der Nebel ein wenig, und es werden Schritte sichtbar, die zu gehen sind. Viele Menschen benötigen ganz praktisch Hilfe bei bürokratischen Herausforderungen wie Anträgen, Bescheiden, Widersprüchen. Finanzielle Sorgen drücken und erdrücken, die Flut hat mit den Häusern und der Infrastruktur auch Pläne, Träume und Existenzen zerstört. Die Beraterinnen und Berater ebnen den Weg zu Spenden, Zuschüssen und Krediten. Hier bringt die Caritas ihre Kompetenzen aus der sozialen Beratung ein. Immer noch ist diese Arbeit täglich zu leisten, aus vielen Gründen. Das öffentliche Geld floss anfangs stockend, die Anträge waren umständlich, und manche Menschen scheuen und schämen sich, Hilfe zu suchen.
Eine gemeinsame Anlaufstelle für Betroffene der Flutkatastrophe im Schleidener Tal. Die Menschen und die Fachkräfte haben durch die Kooperation der Wohlfahrtsverbände viele Vorteile. So lassen sich Anfragen verschiedenster Art auf kurzem Weg und kollegial lösen.Foto: Thomas Hohenschue
Psychosoziale Beratung
Neben der Koordination konkreter Fluthilfe beim Wiederaufbau bringen die Malteser insbesondere ihre psychologische Expertise ein. Dieser Bedarf wächst zurzeit, schildern die Beraterinnen. Am Anfang haben viele Betroffene erst einmal funktioniert, aufgeräumt, saniert, sich um finanzielle und materielle Dinge gekümmert. Auch die Freude über die überwältigende Solidarität vieler Menschen hat verdeckt, welche Spuren die Flut in den Seelen der örtlichen Bevölkerung hinterlassen hat. Jetzt, wo es bei manchen ruhiger geworden ist, treten unbewältigte traumatische Erlebnisse und Erfahrungen zutage. Die Psychologen der Malteser sind gleich im Haus, wenn akute Hilfe benötigt wird.
Der kollegiale Austausch unter den Beraterinnen und Beratern ist nicht nur fachlich, sondern auch menschlich sehr hilfreich. Denn die Schicksale, die im Hilfszentrums aufbranden, lassen sich manchmal nicht so einfach verarbeiten. Über die materiellen und finanziellen Nöte zerbrechen Beziehungen, Ehen, Familien der Betroffenen. Und Einsamkeit wird neu sichtbar. Nicht wenige Menschen lebten schon vor der Flut in prekären Verhältnissen, kamen eher schlecht als recht über die Runden, tranken, litten an toxischen Beziehungen. Die Flut hat das offengelegt oder die Betroffenen endgültig über den Punkt hinausgetragen, an dem sie ihr Leben noch im Griff haben.
Die Flut setzte große Kräfte und Solidarität in der Bevölkerung frei. Die Hilfsbereitschaft war enorm. In den ersten Tagen nach dem Hochwasser galt es, das Erdgeschoss des Caritas-Hauses zu räumen und zu säubern. Viele packten mit an.Foto: Caritas Region Eifel
Nicht alles, was sie an Schwierigkeiten und Herausforderungen wahrnehmen, können die Beraterinnen und Berater selbst bearbeiten. Dafür gibt es bei jedem Wohlfahrtsverband und bei weiteren Kooperationspartnern spezialisierte Dienste. Zu diesen stellen die Mitarbeitenden des Hilfszentrums Verbindungen und Verknüpfungen her. Insgesamt erwarten sie, dass die Aufgabe nicht kleiner wird, sondern bei ihnen an der Kölner Straße in Gemünd stetig neue Ratsuchende oder neue Themen anklopfen. Erfahrungswerte etwa von Caritas international besagen, dass der Wiederaufbau in Katastrophengebieten wie diesen ein gutes Jahrzehnt in Anspruch nimmt.
Die Menschen aber sehnen sich nach so etwas wie einer neuen Normalität. Turnhallen und Treffs sind von der Flut weggerissen worden. Auch hier engagieren sich die Malteser mit ihrem Gebäude, machen dort also nicht nur Trauer- und Verlustberatung und Unterstützungsangebote nach traumatischen Erfahrungen von Bürgerinnen und Bürgern oder auch Rettungskräften, sondern sie etablieren neue Angebote, sich zu treffen, zum Beispiel gemütlich im freundlichen "Café Lichtblick" zusammenzusitzen. Auch Sport findet statt, gerade ist dafür das Obergeschoss des Fluthilfezentrums vorbereitet worden. Die Malteser und ihre Kooperationspartner denken gemeinsam nach vorne, denn auch eine solche Perspektive und Hoffnung benötigen die Menschen in der Region - auf ein Leben jenseits der Katastrophe.
Kontakt
Hilfszentrum Schleidener Tal
Kölner Straße 10, 53937 Schleiden