Entdeckerfreude und Gestaltungslust
Spüren Sie Entdeckerfreude in sich? Gibt es in Ihnen so etwas wie Gestaltungslust? Was für Fragen in Corona-Zeiten! Aber gerade jetzt vielleicht die entscheidenden. Denn was tun wir ohne jene, die Impfstoffe entdecken wollen, die das Leben in den Einrichtungen für die und mit den Menschen gestalten, die Lust auf Digitalisierung haben?
In diesem Sommer sprach der Hirnforscher Gerald Hüther beim Arolser Schlossgespräch zum Thema Würde. Und mir wurde neu bewusst: Menschen werden mit Entdeckerfreude geboren, aber verlieren sie häufig, weil andere sie in ihrer Würde verletzen. Die beiden Grundbedürfnisse von Geburt an - Wunsch nach Geborgenheit und Wunsch nach Freiheit - werden zu oft nicht gestillt. Im Mutterleib ist die Erfahrung angelegt, geborgen zu sein. Und der Mensch möchte wachsen, Kompetenzen erwerben. Werden diese Grundbedürfnisse missachtet, werden die gleichen neuronalen Netzwerke aktiviert wie bei körperlichem Schmerz, so der Hirnforscher. Es tut weh, wenn ich nicht gesehen werde, wenn ich nicht zeigen kann, was ich draufhabe.
Und wie oft wird der Mensch zum Objekt von Vorstellungen und Erwartungen, von Belehrungen und Bewertungen gemacht. Damit geht die Gestaltungslust dahin. Ein Bildungssystem, das nicht vermittelt: "Du bist wertvoll, und das Wichtigste, was du mitbringst, sind deine Talente", nimmt Kindern das Gefühl, Gestaltende zu sein. Stattdessen wird Angst instrumentalisiert, um zum Lernen anzuleiten. "Wenn du dich nicht anstrengst, wird aus dir nichts." Und das setzt sich fort. Wie viele gehen arbeiten, weil sie müssen, aber nicht, weil sie Lust haben zu gestalten.
Wie bekommen wir Zugang zu der verschütteten Entdeckerfreude? Veränderung ist schließlich nicht die Lieblingsbeschäftigung unseres Gehirns. Zwei Möglichkeiten sieht Hüther: eine Krise oder eine Sternstunde. Durch die Krise (das kann auch Corona sein) geraten Muster durcheinander. Unter der Unlust zeigt sich die Erfahrung, dass Gestalten Spaß macht. Oder in einer Sternstunde, einer Begegnung, einem Moment in Natur oder Musik, kommen wir wieder in Berührung mit uns selbst. Und es geschieht Verwandlung! Solche Sternstunden wünsche ich uns!