Rückgrat der Gesundheitsversorgung
Gerade in NRW bilden kirchliche Krankenhäuser das Rückgrat der gesundheitlichen Versorgung sowohl in Ballungszentren wie auch im ländlichen Raum. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Daseinsvorsorge.Foto: St. Franziskus-Stiftung Münster
Pflegepersonaluntergrenzen, das MD(K)-Reformgesetz, der Referentenentwurf zur Notfallversorgung und überbordende Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, beschleunigen den sogenannten "kalten Strukturwandel" im bundesdeutschen Krankenhauswesen. Auch die eigentlich sinnvolle Finanzierung aller Pflegekosten ist handwerklich so unzureichend gestaltet, dass nicht nur die für 2018 und 2019 zugesagten Finanzmittel nicht in voller Höhe ausgezahlt wurden, sondern die Krankenhäuser aktuell keine validen Finanzplanungen vornehmen können und nicht selten erhebliche Beträge vorfinanzieren müssen. Die jüngsten Insolvenzen und "Notverkäufe" in NRW und anderen Bundesländern sind nur ein erster Indikator für die äußerst schwierige Situation, obwohl die Gesetze ihre Wirkungen noch gar nicht richtig entfaltet haben. Darüber hinaus haben konfessionelle Krankenhäuser nicht die Möglichkeit einer Subventionierung, wie dies bei den allermeisten kommunalen Krankenhäusern und Universitätskliniken der Fall ist.
Vor diesem Hintergrund ist es umso dringender, dass der Staat seiner Verpflichtung einer auskömmlichen Krankenhausfinanzierung und strukturierten Krankenhausplanung nachkommt.
Auf Basis des vorliegenden Gutachtens zur Krankenhausplanung in NRW soll durch ein hierarchisches oder auch pyramidenartiges Modell die künftige Planung erfolgen, in welchem die bisherige Planungsgröße "Krankenhausbett" nur noch eine sehr untergeordnete Rolle spielen wird. Es sollen laut Gutachten Leistungsbereiche definiert werden, denen Leistungsgruppen zugeordnet werden. Über die weitere Zuordnung auf Basis der DRGs (Diagnosis Related Groups), also der maßgeblichen Abrechnungseinheit stationärer Krankenhausleistungen, soll letztlich für jedes Krankenhaus festgelegt werden, welche Leistungen es erbringen darf. Hier ergibt sich jedoch ein methodisches Problem: Die DRGs sind ein Abrechnungssystem, welches bestimmte Krankenhausleistungen - jedes Jahr neu - kostenhomogen bewerten soll. Das DRG-System ist für eine eindeutige Zuordnung von medizinisch-pflegerischen Leistungen nicht geeignet. Hierfür gibt es andere, geeignetere Klassifikationssysteme wie den ICD (International Classification of Diseases) und die OPS-Ziffern (Prozedurenschlüssel). Die Verwendung eines geeigneten Klassifikationssystems wird kurzfristig zu klären sein. Im weiteren gemeinsamen Erarbeitungsprozess sind darüber hinaus u. a. folgende Aspekte zwingend zu beachten:
- Das Leistungsspektrum eines Krankenhauses muss zunächst einmal inhaltlich-fachlich konsistent sein, d. h., die medizinisch-pflegerischen Bereiche müssen einen vernünftigen Bezug haben, es muss für Patienten attraktiv sein, ebenso für Mitarbeitende etc.
- Das System sollte nicht zu feingliedrig und damit letztlich kaum beherrschbar werden (z. B. Auslegungsfragen und Konfliktpotenzial in Budgetverhandlungen). Eine Orientierung am Aufbau der ärztlichen Weiterbildungsordnung (WBO) könnte hier ein sinnvoller Ansatz sein. In dieser Struktur wäre insbesondere entscheidend, wie in den Krankenhäusern neben den Schwerpunktabteilungen wie beispielsweise Urologie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Neurologie oder auch Geriatrie (zurzeit in der WBO nicht gesondert ausgewiesen) die "großen" Bereiche der Inneren Medizin und Chirurgie mit ihren jeweiligen Spezialisierungen strukturiert werden. Hier gibt es wie auch in der Vergangenheit die Diskussion, was beispielsweise zur "Allgemeinen Inneren Medizin" gehört und was etwa der Kardiologie oder Gastroenterologie zuzuordnen ist. In dieser entscheidenden Frage ist einerseits zu berücksichtigen, dass durch medizinischen und medizintechnischen Fortschritt immer mehr Verfahren zum allgemeinen Standard gehören, die in der Vergangenheit einem Spezialbereich zugeordnet waren. Andererseits müsste bei einer entsprechenden Zuordnung von Spezialisierungen über Strukturvorgaben (z. B. Räumlichkeiten, Anzahl und Qualifikation von Personal) darauf geachtet werden, dass diese unter den Gesichtspunkten von Bedarfsgerechtigkeit, Wohnortnähe wie auch Leistungsfähigkeit richtig austariert sind. Ebenso dürften solche Vorgaben nicht permanent von bundesgesetzlichen Vorgaben, insbesondere durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), "overruled" werden.
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Darüber hinaus ist zwingend zu beachten, dass bei jeder Definition der Leistungen für ein Krankenhaus (technisch im sog. Feststellungsbescheid) diese Leistungen auch für die ärztliche Weiterbildung hinreichend und für junge Assistenzärzte in der Weiterbildung ausreichend interessant sind; andernfalls wird es dem Krankenhaus kaum möglich sein, junge Ärzte wie auch erfahrene Fachärzte zu gewinnen.Das Krankenhausgutachten empfiehlt, dass die Zuteilung von Leistungen an Qualitätskriterien gekoppelt wird: Wer mehr Fälle einer bestimmten Krankheit behandelt, bringt mehr Können und Erfahrung mit. Das steigert die Behandlungserfolge und verbessert die Versorgungsqualität.Foto: St. Marien-Hospital, Siegen
- Die Leistungen müssen in der Gesamtheit so bewertet sein, dass ein wirtschaftlicher Betrieb des Krankenhauses möglich ist. Dies entspricht im Übrigen auch dem gesetzlichen Auftrag.
Soll die künftige Krankenhausplanung wirklich funktionieren, müssen außerdem folgende Rahmenbedingungen gegeben sein:
- Wenn Leistungen zwischen Krankenhäusern örtlich und regional abgestimmt sein sollen, muss dies auch kartellrechtlich positiv begleitet werden. Es ist völlig unverständlich, dass freiwillig geplante Zusammenschlüsse von konfessionellen oder auch konfessionellen und kommunalen Krankenhäusern beispielsweise in Köln, Gütersloh und Soest vom Bundeskartellamt negativ beschieden werden.
- Jedwede Weiterentwicklung und Strukturreform bedarf einer intensiven finanziellen Begleitung. Es ist Konsens, dass die Investitionsmittel seitens der Bundesländer seit vielen Jahren nicht ausreichen und die Krankenhäuser zulasten ihrer Substanz arbeiten. Eine strukturelle Weiterentwicklung, die örtlich und regional auch die "Neusortierung" sowie vereinzelt auch Zusammenlegung von Krankenhäusern bedeuten kann, erfordert erhebliche Finanzmittel. Hier sind sowohl das Land für Investitionen wie auch die Krankenkassen über die Budgets gefordert, solche Prozesse über mehrere Jahre verlässlich zu begleiten.
- Eine zu ausgeprägte Zentralisierung von Leistungen beinhaltet immer die Gefahr, dass die Anbieter in einer Monopolsituation keine oder geringe Anreize für einen Qualitätswettbewerb haben. Einmal abgebaute Leistungsstrukturen später wieder aufzubauen ist enorm schwierig und teuer. Hier ist eine langfristig vorausschauende Planung erforderlich.
Unabhängig vom Krankenhausplanungsprozess sollten die aktuellen Projekte und "freiwilligen" Initiativen zur strukturellen Weiterentwicklung politisch - und auch investiv - massiv unterstützt werden. Es gibt bereits an vielen Stellen trägerinterne wie auch trägerübergreifende Projekte, Krankenhausstrukturen neu zu konfigurieren, Standorte zusammenzulegen etc.
Bei Notfällen muss es schnell gehen. Kurze Wege in die Notaufnahme können Leben retten.Foto: St. Franziskus-Stiftung Münster
Fazit
Bei allen technischen Feinheiten der Krankenhausplanung wird es letztlich eine politische Aufgabe bleiben, zu definieren, was insbesondere die im Krankenhausgestaltungsgesetz des Landes NRW (KHGG NRW) verwendeten Begriffe "patienten- und bedarfsgerecht" sowie "wohnortnah" konkret bedeuten. Dies erfordert einen gesellschaftlichen Konsens. Krankenhäuser sind nicht nur maßgebliche "Elemente der Daseinsvorsorge", sondern nicht selten größter Arbeitgeber und wichtiger "Wirtschaftsfaktor" vor Ort. Insofern beinhaltet der gesellschaftliche Diskurs auch die Frage, wie gleichwertige Lebensverhältnisse in ländlichen wie städtischen Regionen erhalten bleiben sollen. Eine neue Krankenhausplanung erfordert, dass die als bedarfsgerecht und wohnortnah identifizierten Krankenhäuser wirtschaftlich arbeiten können. Kirchliche Krankenhäuser sind auch und gerade in NRW über Jahrhunderte ein wesentliches Rückgrat der Gesundheitsversorgung und übernehmen nach dem Subsidiaritätsprinzip in weiten Teilen staatliche Aufgaben. Viele Orden wie auch Kirchengemeinden und Stiftungen haben personell und finanziell Enormes geleistet und somit zur Prosperität in Städten und Regionen beigetragen. Sofern in diesen Einrichtungen Überschüsse erwirtschaftet werden, müssen diese in der Regel satzungsgemäß unmittelbar reinvestiert werden. Strukturelle Weiterentwicklungen sind richtig und wichtig und werden von den Trägern kirchlicher Einrichtungen grundsätzlich unterstützt. Die politisch Verantwortlichen sollten sich der tragenden Rolle kirchlicher Gesundheitseinrichtungen in der Vergangenheit, aber auch künftig bewusst sein im Sinne einer wettbewerblich wie leistungsfähig "gesunden" Trägervielfalt.