Auferweckung auf dem Tennisplatz
Dr. Boris Krause, Theologischer Referent beim Caritasverband für die Diözese Münster
Neulich im TV, eine Szene aus "Kroymann" im Ersten: Vier Frauen im reifen Lebensalter, beste Freundinnen, treffen sich auf dem Tennisplatz. Sie reden über Gott und die Welt. Zwischenzeitlich werfen sie sich anerkennende Worte zu, bezogen darauf, wie sie das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen meistern.
Die Krux: Irgendwie schafft es keine der Beteiligten, die Komplimente der anderen wirklich anzunehmen. Jede ist geradezu geübt darin, den potenziell verbalen Balsam an sich abperlen zu lassen. Nur eine Frau fällt aus dem Rahmen und sorgt damit für Irritation. Unverblümt bemerkt sie nämlich: "Ihr habt schon recht: Ich mach das ganz schön gut!" - Stille, verstörte Gesichter, Ende der Szene.
Klar, Eigenlob, noch dazu im Beisein anderer, gilt als Untugend - zumindest haben wir das so gelernt. Doch wie ist es, wenn Zuspruch an Menschen von den Stimmen ihrer inneren Kritikerinnen bzw. Kritiker so torpediert wird, dass davon kaum noch was bis zur Seele vordringt? Ist es nicht häufig so, dass diese Stimmen mehr Macht über uns haben als die der inneren Ermutigerinnen bzw. Ermutiger? Weicht nicht die Freude über den Applaus nach erzieltem Erfolg oft nur wenige Stunden später der nüchternen Frage, was nicht lief oder noch besser hätte sein können?
Nichts gegen den Antrieb, sich verbessern zu wollen. Doch ist festzuhalten, dass vielen Menschen selten bis gar nicht bewusst ist, dass sie im Mutlos-Modus verharren, den sie als Normalität hinnehmen. Es gibt Schätzungen, dass bis zu 75 Prozent der inneren Dialoge, die wir sekündlich unbewusst führen, gegen uns selbst gerichtet sind.
Da lob ich mir den Gedanken von Viktor Frankl: "Ich muss mir von mir selbst nicht alles gefallen lassen." Die Botschaft ist wichtig. Wir können uns trainieren - oder wie die Hirnforschung sagt "neuronal neu vernetzen". Dazu gehört es, die Mutstimmen in uns häufiger laut zu drehen und uns bewusst neue Sätze zuzusprechen, etwa: "Steh auf und geh!" Wenn das wirkt, dann hat das was von Auferweckung, ob im Job, in der Kirche oder auf dem Tennisplatz.
Boris Krause