Wohnortnahe Versorgung erhalten
Große Sorgen über die zukünftige Entwicklung der Krankenhauslandschaft werden deutlich, wenn man sich zurzeit mit Vertretern der Krankenhäuser über die Krankenhauspolitik in Nordrhein-Westfalen und auf Bundesebene unterhält. Natürlich, da sind zuerst einmal die Veröffentlichung des Gutachtens zur Krankenhausplanung durch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und die dazu aktuell stattfindenden Fachgespräche. Aber es ist nicht nur dieser Prozess allein, der bei den Verantwortlichen im Krankenhausbereich zu den tiefgreifenden Befürchtungen um die Zukunft gerade der katholischen Krankenhäuser führt. Es sind vor allem die immer wieder neuen und erweiterten gesetzlichen oder verwaltungsorganisatorischen Vorgaben aus der Bundespolitik, die die Situation der Krankenhäuser aktuell zusätzlich belasten. Einige Beispiele seien genannt:
- Während alle Akteure des Gesundheitswesens noch intensiv darum bemüht sind, die neue generalistische Pflegeausbildung in die Praxis umzusetzen und die notwendigen Kooperationen zu entwickeln, werden die Häuser gleichzeitig durch den Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Verordnung über die Pflegepersonaluntergrenzen verunsichert. Es ist zu befürchten, dass durch das System der Pflegepersonaluntergrenzen die Situation in der Pflege selbst gerade nicht verbessert wird, sondern nur einmal mehr der bürokratische Aufwand für die Dokumentation steigt. Und das in einer Situation, in der sowieso nicht genügend Pflegekräfte vorhanden sind.
- Durch das zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Medizinischen Dienstes soll die Unabhängigkeit des Medizinischen Dienstes als Körperschaft des öffentlichen Rechtes gestärkt werden. Gleichzeitig werden den Krankenhäusern aber Sanktionszahlungen bei Fehlbelegungen angedroht, der tatsächliche medizinische Bedarf oder die soziale Situation der Patienten geraten dabei aus dem Blick. Die Folge werden wiederum Vorwürfe der "betrügerischen" Falschabrechnung, eine Zunahme von Klageverfahren und damit wiederum mehr Bürokratie sein.
- Auch die geplante Reform der Notfallversorgung ambulanter Patienten wird nicht ohne Auswirkungen auf die Strukturen der Krankenhauslandschaft bleiben. Einmal mehr werden Konzentrationsprozesse gefördert und die kleineren Häuser, insbesondere auf dem Lande, benachteiligt. Den Interessen der Patienten an einer wohnortnahen Versorgung und an kurzen Wegen werden diese Vorstellungen nicht gerecht (vgl. dazu ausführlich den Schwerpunkt der Fachzeitschrift "neue caritas", 21/2019).
Diese Fehlentwicklungen treffen auf einen "Markt" der stationären Gesundheitsversorgung, der schon traditionell von erheblichen Brüchen und Verwerfungen gekennzeichnet ist. So erfüllen die Bundesländer die ihnen im Rahmen der dualen Finanzierung auferlegte Pflicht zur Refinanzierung der Investitionen bei Weitem nicht ausreichend - bei erheblichen Unterschieden zwischen den einzelnen Bundesländern. In der Folge muss ein immer größerer Teil der notwendigen Investitionen aus Eigenmitteln getragen werden - mit negativen Folgen für die Liquidität und einer zusätzlichen Belastung des Ergebnisses. Auch gilt weiterhin, dass kommunale Krankenhäuser und Universitätskliniken erhebliche zusätzliche Mittel im Rahmen von Defizitausgleichen aus öffentlichen Kassen erhalten und so die Wettbewerbssituation weiter verzerrt wird. Betrachtet man dann noch die letzte Studie der Bertelsmann-Stiftung, die die Schließung von mehr als 50 Prozent der bestehenden Krankenhäuser fordert, wird verständlich, dass gerade Vertreter kleinerer Krankenhäuser im ländlichen Raum zusehends um deren Existenz fürchten müssen und ein allgemeines Kliniksterben vorausgesagt wird.
Und schaut man in die Zeitung, scheinen viele Befürchtungen bereits heute wahr zu werden. Die Zahl der Insolvenzen und Planinsolvenzen steigt, zunehmend scheuen Träger die tatsächlichen und vermeintlichen Risiken und suchen für ihre Häuser neue Trägerstrukturen - immer häufiger im privat-gewerblichen Bereich.
Planung nach Schweizer Vorbild
Aber noch einmal zurück zur Landeskrankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen. Ausgehend von dem von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann im September 2019 vorgestellten Gutachten, soll nun in diesem Jahr mit allen Beteiligten ein Krankenhausplan erarbeitet werden, der dann in der Folge in regionale Planungskonzepte umgesetzt werden soll. Nach dem Vorliegen des Gutachtens lassen sich einzelne politische Zielvorgaben für diesen Prozess bereits heute erkennen:
- Minister Laumann betont immer wieder, dass es auch ihm um eine gute Erreichbarkeit der Krankenhäuser gehe, aber - so Laumann - nicht jeder solle alles machen dürfen, es müsse zu strukturellen Absprachen kommen, um Parallelstrukturen zu vermeiden.
- Um dieses Ziel zu erreichen, will der zukünftige Krankenhausplan sich nicht mehr an Bettenzahlen, sondern an Leistungsbereichen und Leistungsgruppen orientieren. So soll eine bedarfsorientierte Krankenhausplanung nach Schweizer Vorbild erreicht werden.
- Insgesamt sieht das Gutachten in Nordrhein-Westfalen eher Anzeichen für eine Über- als für eine Unterversorgung; Letztere sei höchstens in einzelnen ländlichen Regionen feststellbar. Zusammen mit den oben genannten Stichworten resultiert daraus eine Tendenz zur Konzentration des Leistungsangebotes. Ungelöst bleibt dabei aber die Frage, wie die für einen solchen Prozess notwendigen Investitionskosten refinanziert werden sollen.
Ein wichtiger Ort von Kirche
Betrachtet man diese ersten Einschätzungen zur Landeskrankenhausplanung NRW vor dem Hintergrund der oben beschriebenen bundesgesetzlichen Vorgaben, wird deutlich, wie stark der Trend zur Zentralisierung der Krankenhauslandschaft bereits heute ausgeprägt ist. Dieser generelle Trend betrifft naturgemäß insbesondere kleinere und mittlere Krankenhäuser in ländlichen Strukturen - in Nordrhein-Westfalen (und nicht nur dort) eben insbesondere konfessionelle Krankenhäuser, die gerade hier am häufigsten vertreten sind und damit die Versorgung sicherstellen.
Auch die kleineren und mittleren, häufig konfessionellen Krankenhäuser leisten einen wichtigen und unverzichtbaren Beitrag zur Daseinsvorsorge, besonders auch in den ländlichen Regionen Nordrhein-Westfalens, in denen gesundheitliche Versorgung bereits heute vielfach prekär ist. So hat auch die Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" in ihren Empfehlungen die besondere Bedeutung "einer gut erreichbaren, wohnortnahen Gesundheitsinfrastruktur" betont. Die konfessionellen Krankenhäuser sind aus diesem Segment der Daseinsvorsorge nicht wegzudenken.
Krankenhäuser dürfen nicht länger ausschließlich als Wirtschaftsunternehmen betrachtet werden, die eine Rendite zu erwirtschaften haben und einen "Asset" - einen wirtschaftlich handelbaren Wert - darstellen. Sie müssen ihren Wert behalten als Teil der sozialen Infrastruktur für die Menschen in einer bestimmten Region, deren Versorgung ihr Auftrag ist.
Gemessen an diesem Auftrag, aber auch gemessen an der Zahl ihrer Mitarbeitenden, sind die katholischen Krankenhäuser ein wesentlicher Teil der verbandlichen Caritas - in Nordrhein-Westfalen und auch auf der Ebene des Bundes. Daher hat die Caritas ein wesentliches Interesse, dass - trotz Anerkennung notwendiger Strukturveränderungen - die katholische Krankenhauslandschaft in ihrer Bedeutung erhalten bleibt. Die Krankenhäuser sind ein wichtiger Ort von Kirche. Caritas und katholische Krankhäuser sollten daher gemeinsam die aktuellen Entwicklungen kritisch verfolgen und bewerten sowie gemeinsam notwendige Handlungsstrategien entwickeln.
Zum Thema Krankenhausplanung folgt in der nächsten Ausgabe ein Beitrag aus Trägerperspektive.