"Frau Mankertz hat mich wieder aufgebaut"
Schuldnerberaterin Elisabeth Mankertz (l.) füllt gemeinsam mit Adelheid Bergdorf ein Formular aus, aus dem die Rentnerin ersehen kann, wie viel von der Rente nach Abzug aller Ausgaben übrig bleibt.Foto: DiCV Aachen
An das Frühjahr 2019 hat Adelheid Bergdorf* keine guten Erinnerungen. Erst starb der Ehemann der 72-Jährigen. Nachdem er bestattet war und die Schwalmtalerin gemeinsam mit ihren beiden Kindern die Unterlagen des Verstorbenen durchsah, kam die nächste Hiobsbotschaft: Adelheid Bergdorf saß auf einem Berg an Schulden: 14.000 Euro. Die Rentnerin versuchte, das Unheil abzuwenden, und schlug das Erbe aus. Doch bei genauer Durchsicht der Unterlagen stellte sich heraus: Die Verträge der beiden Darlehen, die zu bedienen waren, hatte sowohl ihr Mann als auch sie selbst unterschrieben. Mit seinen Unterschriften hatte sich das Ehepaar verpflichtet, monatlich Raten von rund 310 Euro zu bedienen. Eine Summe, die die Finanzkraft der 72-Jährigen überstieg.
Eine Freundin ihrer Tochter erzählte Adelheid Bergdorf von der Schuldnerberatungsstelle des Caritasverbandes für die Region Kempen-Viersen in Schwalmtal. "Ich habe mich zunächst gesträubt, dorthin zu gehen. Aber schließlich habe ich mich entschlossen, es doch zu tun, bevor das Kind weiter in den Brunnen fällt", sagt die Rentnerin. Zusammen mit einer Freundin suchte sie Elisabeth Mankertz, die Schuldnerberaterin der Caritas, auf. Ein schwerer Gang war das, erinnert sie sich. Aber heute ist sie froh, hierhin gekommen zu sein. "Frau Mankertz hat mich wieder aufgebaut", sagt sie. Mittlerweile kann Adelheid Bergdorf wieder lachen. Denn Elisabeth Mankertz hat es geschafft, dass die Rentnerin und die Gläubiger einen Vergleich abgeschlossen haben. Seit März 2020 zahlt die Rentnerin nun 60 Monatsraten in Höhe von 138 Euro. In fünf Jahren ist sie schuldenfrei. Sie hat wieder Luft zum Atmen.
Nach dem Tod des Ehemanns zeigte sich der ganze Schlamassel
Wie konnte es zu den Schulden kommen? Das Ehepaar Bergdorf hatte sich vor Jahren eine neue Küche gekauft. Diesen Kauf hatte es über Raten abgewickelt. Zudem musste es noch ein weiteres, kleines Darlehen bedienen. Auch für dieses Darlehen hatte das Paar gemeinsam unterschrieben. Doch was Adelheid Bergdorf nicht ahnte: Dieses Darlehen war mit einer Kreditkarte gekoppelt, mit der der Ehemann der Rentnerin immer wieder Geld abhob. Heute versteht die 72-Jährige, warum ihr Mann, der sich immer um alle Geldangelegenheiten gekümmert hatte, vor wenigen Jahren komisch reagierte, als sie vorschlug, nachdem die Küche abbezahlt war, auf ein neues Auto zu sparen. Er, der gerne Auto fuhr, zeigte sich wenig begeistert. Als sich dann nach dem Tod des Ehemanns der ganze Schlamassel zeigte, war die Schwalmtalerin am Boden zerstört: "Da war der Schmerz über den Tod meines Mannes und dann immer wieder die Frage: Warum hat er denn nichts gesagt? Mein Mann hat nie viel geredet. Aber er hat mir nicht alles gesagt, und das macht mich traurig", sagt sie.
Was Adelheid Bergdorf erlebt hat, ist für Schuldnerberaterin Elisabeth Mankertz "ein häufig auftretender Fall". Rentnerpaaren fehle oft der Weitblick, vor allem dann, wenn - wie im Fall von Familie Bergdorf - zwei Renten zur Verfügung stünden. "Sie wiegen sich in Sicherheit, dass sie kleine Kredite schon abbezahlen können", sagt Mankertz. Wenn dann der Partner sterbe und die Verbindlichkeiten weiter bedient werden müssten, beginne oft ein Teufelskreis. "Menschen wie Adelheid Bergdorf haben eine hohe Zahlungsmoral. Sie haben Sorge, dass der Kühlschrank leer bleibt oder der Strom abgestellt werden könnte, wenn sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen." Manche sähen keinen anderen Ausweg, als weitere Kredite aufzunehmen, um den Lebensstandard zu halten - ein Weg mit fatalen Folgen. Im Büro von Elisabeth Mankertz sitzen Klienten, die so hoch verschuldet waren, dass nur noch eine Verbraucherinsolvenz sie retten konnte. So weit hat es Adelheid Bergdorf nicht kommen lassen. "Sie hat alles richtig gemacht und rechtzeitig die Kurve bekommen", sagt Elisabeth Mankertz.
Kredite sollten vor Eintritt ins Rentenalter beglichen sein
Unmittelbar nachdem die Rentnerin zu der Schuldnerberaterin gekommen war, hat die Bank die Kredite gekündigt. Nach einiger Zeit hat Bergdorf Verhandlungen mit den Gläubigern aufgenommen, die schließlich zu einem Vergleich führten. "Die Chance, bei Rentnern einen Vergleich zu schließen, ist größer, weil bei ihnen keine Aussicht besteht auf ein steigendes Einkommen", sagt Elisabeth Mankertz. In fünf Jahren nun ist Adelheid Bergdorf schuldenfrei, wenn sie die 60 vereinbarten Monatsraten bezahlt hat. "Damit kann ich gut leben, damit komme ich klar. Wenn ich weiß, ich muss zahlen, dann mache ich das auch", sagt sie.
Elisabeth Mankertz hält es für wichtig, Vorbeugung zu betreiben. "Es müssten mehr Infoveranstaltungen für Menschen der Generation 55 plus angeboten werden, in denen sie sich über Präventionsmaßnahmen informieren können", sagt sie. Ihre Tipps: Kredite sollten mit Eintritt ins Rentenalter beglichen sein. Sämtliche Fixkosten sollten dann kritisch betrachtet und eventuell reduziert werden. Eventuelle Umbaumaßnahmen in der Wohnung, um sie zum Beispiel behindertengerecht zu machen, sollten noch ins Erwerbsleben fallen.