Da bleibt kein Cent übrig
Das Taschengeld, der sogenannte Barbetrag, ist gesetzlich auf 27 Prozent des Sozialhilfe-Eckregelsatzes festgelegt – aktuell sind das 114,48 Euro. Das Taschengeld fließt aus der Sozialhilfe, Selbstzahler bekommen die Leistung nicht. 2017 bezogen gut 60000 Menschen Sozialhilfe für die Finanzierung ihres Altersheimplatzes.Foto: Achim Pohl
Die alte Dame strahlt übers ganze Gesicht. Sie kommt gerade vom Friseur, der praktischerweise direkt neben dem Aufenthaltsraum im katholischen Marienheim in Essen-Überruhr liegt. Waschen, Schneiden, Legen für 18 Euro. Die Summe bezahlt Maria Brahmkamp* von ihrem Taschengeld.
"Alle zwei Wochen" zum Friseur, das ist der kleine Luxus, den sie sich gönnt, der ihrem Selbstwertgefühl guttut. Ansonsten muss die Seniorin sparsam haushalten. 114 Euro Taschengeld bekommt Maria Brahmkamp, so wie jeder Bewohner, der Sozialhilfe zur Finanzierung seines Heimplatzes bezieht. Das Geld gibt sie vor allem für Medikamente aus, die nicht von der Krankenkasse bezahlt werden: eine Salbe für die schmerzenden Glieder, eine spezielle Creme für die strapazierte Haut. Und dann noch 25 Euro im Monat für Fußpflege und außerdem Batterien fürs Hörgerät, da bleibt kein Cent übrig. "114 Euro sind zu wenig, das reicht in vielen Fällen nicht aus", kritisieren denn auch Pflege-Experten. "Es kommt immer auf die persönliche Situation an", differenziert Dieter Merten, der Leiter des Marienheims. Von den 121 Bewohnerinnen und Bewohnern beziehen 60 Prozent ergänzende Sozialhilfe und somit auch 114 Euro Taschengeld. Es wird am Monatsanfang ausgezahlt oder auf Wunsch vom Pflegeheim auf einem Konto verwaltet. "Es gibt Bewohner, die das Geld nicht anrühren." Das sind vor allem jene, die von fortschreitender Demenz betroffen sind. Bei anderen reicht es vorne und hinten nicht. Zum Beispiel bei Rauchern. Es ist schon vorgekommen, dass Bewohner den Aschenbecher nach Zigarettenstummeln durchsucht haben. "Das ist tragisch", so Merten. Eine Lösung, etwa Entwöhnung, sieht er nicht: "Sie können keinem Menschen, der sein Leben lang stark geraucht hat, sagen: So, ab jetzt nur noch fünf Zigaretten am Tag. Das funktioniert nicht."
Ursula Schäfer* ist Raucherin. "Ohne meine Söhne käme ich nicht klar", sagt die Rollstuhlfahrerin. Die beiden Söhne spendieren ihr die Zigaretten für 200 Euro im Monat. Sie ist dankbar für die Unterstützung. Denn Ursula Schäfer ist der Meinung, dass es nicht Aufgabe der Gesellschaft sei, den Tabakkonsum zu finanzieren. Dabei denkt die 72-Jährige an die jüngere Generation, die das Ganze schließlich durch Sozialabgaben finanzieren müsse.
Apropos jüngere Generation: "Eine Tafel Schokolade für den Enkel musste immer in der Schublade sein. Meiner Mutter war es ganz wichtig, dass sie auch etwas geben konnte", erzählt Inge-Hedwig Leifeld, die auch nach dem Tod ihrer Mutter weiter im Heimbeirat sitzt. Finanziert hat die Seniorin die kleinen Geschenke von ihrem Taschengeld. "Dafür hab ich ihr die Haare geschnitten, sonst hätte es nicht gereicht", erklärt die Tochter.
Teilhabe am kulturellen Leben - dafür verwende keiner der Bewohner sein Taschengeld, so Dieter Merten: "Das Durchschnittsalter liegt bei 85, viele sind über 90. Die gehen abends nicht mehr in die Oper."
Doch für die Bewohner, die Medikamente benötigen, die die Krankenkasse nicht bezahlt, wünscht sich Helga Schwarz vom Heimbeirat eine flexiblere Regelung. Und ebenso für diejenigen, die im Alter stark zu- oder abnehmen und deshalb neue Kleidung brauchen. Mit dem Taschengeld und dem monatlichen Bekleidungszuschuss von 20 Euro komme man nicht weit.