"Wir wollen das Richtige tun"
Die Journalistin und Bloggerin Martine Postma hatte einst die Idee. Seit daraus eine Bewegung wurde, kommt sie kaum noch zum Schreiben. Um alle Cafés zu koordinieren, gründete sie eine Stiftung, die lokale Gruppen in ganz Europa unterstützt, die ein RepairCafé gründen wollen.Martin Waalboer | © Stichting Repair Café International
Caritas in NRW Wie sind Sie auf die konkrete Idee gekommen, 2009 das erste Repair-Café zu organisieren?
Martine Postma: Ich habe als Journalistin über Nachhaltigkeit und insbesondere über Abfallvermeidung geschrieben. Das ist ein Thema, das mir sehr am Herzen liegt: Es beunruhigt mich, dass wir in unserem täglichen Leben so viel Abfall produzieren. Das wäre gar nicht nötig, wenn wir wieder anfangen würden, mehr Dinge zu reparieren. Reparaturen waren früher normal, aber jetzt wissen die meisten Menschen nicht mehr, wie das geht. Junge Menschen lernen es nicht in der Schule, und sie lernen es nicht mehr bei ihren Eltern. Viel Wissen und viele Fähigkeiten, etwas zu reparieren, sind verloren gegangen.
Das ist ein Problem für unsere Zukunft. Deshalb wollte ich konkrete Maßnahmen ergreifen. Ich wusste, dass es in jeder Gemeinde immer noch einige Leute gibt, die wissen, wie man etwas repariert. Ich dachte mir: Wenn wir diese Menschen zusammenbringen mit anderen, die nicht wissen, was sie mit kaputten Gegenständen anfangen können, dann können wir mehr Produkte retten, Abfall verhindern, Fähigkeiten und Techniken zu reparieren bewahren - und noch etwas für die Gesellschaft tun. Denn zusammen zu tüfteln und etwas zu reparieren, macht Spaß. Es verbindet Menschen und lässt einen den anderen in einem neuen Licht sehen.
Caritas in NRW: Von der Idee zur Umsetzung - wie aufwendig war das?
Martine Postma: Das war schon Arbeit! Zunächst habe ich mit vielen Leuten darüber gesprochen und mich dann entschieden, es einmal in der Praxis zu testen. Die Stadtverwaltung von Amsterdam war bereit, die Veranstaltung zu unterstützen. Ich habe ehrenamtliche Reparierer gesucht, Werkzeug gesammelt, einen praktischen Raum gemietet, eine Pressemitteilung geschrieben und sie an die Medien geschickt. Unmittelbar danach riefen Journalisten an, die Nachricht verbreitete sich sehr schnell. Das erste Repair-Café (18. Oktober 2009) war sehr gut besucht, auch von Leuten außerhalb von Amsterdam, und war überall in den Medien. Dann kamen Anfragen: Leute wollten so etwas in ihrer eigenen Gemeinde haben - könnte ich ihnen nicht einen Rat geben? Ich begriff, dass diese Idee Potenzial hatte, und beschloss, ein Handbuch zu schreiben, wie man sein eigenes Repair-Café startet. Dieses Handbuch wuchs nach und nach und entwickelte sich zu einem umfangreichen Starter-Kit, das viele Informationen und Materialien enthält. Es kann über die Website bestellt werden und liegt in sieben Sprachen vor. Die viele Arbeit hat sich gelohnt. Derzeit gibt es über 1800 Repair-Cafés in 35 Ländern weltweit.
Caritas in NRW: Hatten Sie Helferinnen und Helfer?
Martine Postma: Mit einigen Leuten konnte ich über meine Pläne sprechen, nachhaltige Denker, die mir geholfen haben, die Idee zu entwickeln. Aber am Anfang habe ich im Grunde allein gearbeitet und die meisten Dinge selbst erledigen müssen. Das änderte sich, nachdem ich die Repair Café Foundation gegründet hatte. Jetzt gibt es diese Stiftung fast zehn Jahre, sie hat mehrere Mitarbeiter und einen dreiköpfigen Vorstand.
Caritas in NRW: Die Idee "Repair-Café" verbreitet sich weiter - in den Niederlanden und auch in Deutschland. Was glauben Sie, warum das so ist? Was musste dafür passieren?
Martine Postma: Im Grunde seines Herzens weiß jeder Mensch, dass es nicht gut ist, kaputte Gegenstände wegzuwerfen, ohne auch nur zu versuchen, sie zu reparieren. Das ist zwar in unserer Gesellschaft "normal" geworden, aber eigentlich ist es nicht normal. Und das weiß jeder, wenn er in sich hineinhört. Wenn sich also eine Alternative bietet, nutzen viele Menschen diese Alternative gerne. Auch die Reparatur ist eine spaßige Aktivität. Man fühlt sich gut, stark und unabhängig. Jeder, der es versucht, wird es erleben. Sehr positiv. Es befähigt einen, es ermächtigt einen. Viele Menschen, die das erlebt haben, sprechen darüber mit ihren Freunden, ihrer Familie und den Nachbarn. Und das begeistert andere. Weil ich glaube, dass wir alle - tief im Inneren - das Richtige tun wollen. Wir wollen nicht unbedingt verschwenderisch sein. Wir wollen die Erde für unsere Kinder erhalten und die Natur respektieren. Und uns gegenseitig helfen. Wenn sich also herausstellt, dass wir durch den Besuch eines Repair-Cafés oder gar die Gründung eines Repair-Cafés dazu beitragen können, dann machen viele Menschen das gerne. Und das macht mir Hoffnung für die Zukunft.
Caritas in NRW: Wie geht es weiter?
Martine Postma: Ich hoffe, dass es auf der ganzen Welt noch viel mehr Repair-Cafés geben wird, aber es muss noch viel mehr erreicht werden: Reparieren sollte wieder in die Bildung einbezogen werden. Kinder sollten lernen, mehr mit ihren Händen zu arbeiten und Reparaturprobleme zu lösen. Damit sie, wenn etwas kaputtgeht, nicht denken: "Oh, ich brauche was Neues", sondern: "Oh, ich sollte mir das ansehen, das sollte ich beheben."
Außerdem sollten die Hersteller anfangen, Produkte herzustellen, die sich besser reparieren lassen. Die zerlegt werden können, ohne zu zerbrechen. Und sie sollten Anleitungen zur Verfügung stellen, ein Reparaturhandbuch. Damit ein normaler Verbraucher eine Reparatur ordnungsgemäß durchführen kann. All dies trägt dazu bei, die Lebensdauer der Produkte zu verlängern und die Kunden zu stärken. Das ist gut für die Menschen und für den Planeten - und genau das brauchen wir.
Die Fragen stellte Markus Lahrmann. Die Übersetzung aus dem Englischen erfolgte ebenfalls durch ihn.