Neue Alltagshilfen erfinden
Damals war die alte Dame eine begeisterte Keglerin. Das Alter und die Demenz verhindern inzwischen weitere Abende auf der Kegelbahn. Aber ihr Körpergedächtnis ist immer noch aktiv, und ein bisschen Sport würde ihr weiterhin guttun. Für Menschen wie sie gibt es das Projekt "Demenz-Dinge": Eine Sozialarbeiterin und eine Designerin tüfteln zusammen mit der 80-Jährigen einen Geschicklichkeitsparcours fürs Wohnzimmer aus, der ihre früheren Fähigkeiten aktiviert, sie in Bewegung hält und ihr außerdem die Möglichkeit gibt, sich eine Weile allein zu beschäftigen, was ihre Angehörigen entlastet. Für eine andere Seniorin, die ebenfalls an Altersvergesslichkeit leidet, hat das Team von "Demenz-Dinge" nach ihren Wünschen einen Tagesplaner mit magnetischen Symbolen gebaut, der ohne große Umstände an Termine oder die Tabletteneinnahme erinnert. Und ein alter Herr, der beim morgendlichen Ankleiden Probleme mit der Beweglichkeit hat, trägt zur Erleichterung seiner helfenden Ehefrau nun Oberhemden mit Reißverschluss im Rücken.
Das Projektteam "Demenz-Dinge" soll die Lebensqualität Demenzkranker und ihrer Angehörigen steigern und dafür gemeinsam mit Betroffenen vor Ort sogenannte "Lifehacks" - individuelle Hilfsmittel für den Alltag - erfinden. Zu einem späteren Zeitpunkt wird mit wissenschaftlicher Begleitung aus den Ergebnissen eine allgemeingültige "Methode des Erfindens" mit Schulungskonzept für die Pflegepraxis von Angehörigen, Pflegekräften und Ehrenamtlichen und für die Ausbildung in Altenpflegeschulen abgeleitet.
Innovativ ist der Thinktank - die Denkfabrik - der Experten aus Design, Pflege, sozialer Betreuung und, nicht zu vergessen, der Demenzkranken selbst: "Je mehr man den Betroffenen in die Entwicklung eines Prototyps einbezieht, desto höher ist seine Akzeptanz", beobachtet Diana Cürlis, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Folkwang Universität der Künste, die gemeinsam mit der Katholischen Pflegehilfe das Projekt im Lauf von drei Jahren umsetzt. Ohne ihre erfahrene Kollegin vom Sozialen Dienst, sagt die Produktdesignerin, wisse sie zudem manchmal nicht, mit den Schrulligkeiten der alten Menschen umzugehen.
Projekt-Kollegin Kerstin Rademacher beobachtet bei ihrer Tätigkeit im Sozialen Dienst der Pflegeeinrichtung Marienheim in Essen-Überruhr, dass pflegende Angehörige oft schlecht vernetzt sind und deshalb keine Aktivierungsmöglichkeiten kennen, die in einem Pflegeheim selbstverständlich sind. "Oft sind die Angehörigen so auf die Versorgung konzentriert, dass ihnen die Fantasie abhandenkommt, noch vorhandene Ressourcen des Demenzkranken wahrzunehmen", sagt Rademacher. Manchmal ist die Lösung auch ganz einfach: etwa die Idee, wieder mehr zusammen zu singen, zu musizieren oder gemeinsam auf Youtube klassische Musik zu hören.
Die "Demenz-Dinge" werden durch die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW über drei Jahre lang finanziert. Die Theresia-Albers-Stiftung als Projektträgerin unterstützt das Ganze zusätzlich noch durch einen Eigenanteil.
"Wir hoffen", sagt Designerin Cürlis, "dass wir gesellschaftlich ein kleines Rädchen bewegen und nachhaltige Lösungen für ein Leben mit Demenz finden."