Mit Stofftier im Arm und Musik von Hansi Hinterseer
Es ist ein warmer Sommertag. Draußen, vor den hohen Altbau-Fenstern, spenden große Bäume Schatten, Vögel zwitschern, Insekten fliegen, ein Hahn kräht. Mitten im Grünen, am Rande des Hattinger Vororts Bredenscheid, steht das Gebäude-Ensemble Haus Theresia, eine Wohneinrichtung der Theresia-Albers-Stiftung für Menschen mit Behinderung. Und während draußen das Leben atmet, beschäftigt sich drinnen Britta Eichholtz mit dem Tod. Seit vier Jahren ist sie für die Pflegeheime und Wohneinrichtungen der Stiftung als Beraterin für gesundheitliche Versorgungsplanung (GVP) in der letzten Lebensphase tätig. Ihre Aufgabe beschreibt Eichholtz so: "Die Menschen, die ich berate, haben ein Lebensbuch geschrieben. Und ich lese in diesem Lebensbuch, um die Individualität des einzelnen Menschen - medizinisch, pflegerisch, seelsorgerisch und psychosozial - hervorheben zu können, damit er in der letzten Lebensphase auch das bekommt, was ihm sein ganzes Leben lang wichtig war." Refinanziert wird ihre Arbeit durch die Krankenkassen, und gesetzlich verankert ist sie seit 2015 in Paragraf 132g des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V). Ziel ist es, die Selbstbestimmung von Bewohnerinnen und Bewohnern stationärer Einrichtungen der Altenpflege und Eingliederungshilfe am Ende ihres Lebens zu stärken. Eigens ausgebildete und zertifizierte Gesprächsberatende unterstützen und informieren die Menschen, wie sie in ihrer letzten Lebensphase individuell versorgt werden können und welche Hilfen und Angebote es in der Sterbebegleitung gibt.
Unterschiedliche Kommunikationskoffer
Besonders liegt Britta Eichholtz das Thema "Palliative Begleitung von Menschen mit Handicap" am Herzen. Sie ist Dozentin und bringt das Thema angehenden Beratenden genauso nahe wie Studierenden aus dem Fachbereich Palliative Care. Ein weiterer wichtiger Fokus liegt auf der Vernetzung der Akteure, zum Beispiel in der Koordinierungsgruppe der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft gesundheitliche Versorgungsplanung für Autonomie und Teilhabe bis zum Ende des Lebens in der Eingliederungshilfe, abgekürzt "Agate", bei der Eichholtz mitarbeitet. "Agate" möchte dazu beitragen, dass die Bedarfe von Menschen mit Beeinträchtigungen von Anfang an mitbedacht werden. "Ich habe unterschiedliche Kommunikationskoffer, zum Beispiel für Menschen, die sich gar nicht äußern können, oder für Menschen mit Demenz. In einem Koffer sind Gegenstände von einer Intensivstation. Denn es ist ganz wichtig für Menschen mit Handicap, dass sie etwas sehen und etwas anfassen können", erklärt Eichholtz. Bilder oder Gegenstände böten Gesprächsanlässe und würden Erinnerungen wecken, "zum Beispiel an den Tod des eigenen Vaters im Krankenhaus und dass man so nicht sterben möchte, sondern lieber zu Hause bei offener Tür, mit dem Stofftier im Arm und der Musik von Hansi Hinterseer".
Vor allem gehe es nicht nur ums Sterben, sondern sehr viel ums Leben, sagt Eichholtz. "Ich frage danach, was dem Menschen wichtig ist, was ihn glücklich macht oder wovor er sich fürchtet. Wer zum Beispiel Angst vor Hunden hat, braucht am Lebensende keine tiertherapeutische Unterstützung. Aber natürlich frage ich auch, ob jemand eine Patientenverfügung machen möchte oder wie die Beerdigung ablaufen soll."
Die Wünsche der Menschen mit Behinderung an ihrem Lebensende unterscheiden sich gar nicht so sehr von allen anderen, hat Eichholtz festgestellt. Den meisten sei es wichtig, in ihrem gewohnten Umfeld zu sterben und dort von Menschen begleitet zu werden, die sie kennen - sei es der Hausarzt, die Mitbewohnenden oder Betreuungspersonen. "Für Menschen mit Handicap, die oft keine andere Familie haben, sind das ihre Familie und ihr Zuhause." Mit Unterstützung von Palliativärzten und geschultem Pflegepersonal von außerhalb sei es kein Problem, einen sterbenden Menschen bis zu seinem Tod zu Hause zu begleiten.
Eichholtz hat die Erfahrung gemacht, dass Menschen in ihrer letzten Lebensphase oft gar nicht so sehr auf sich selbst schauen, sondern darauf bedacht sind, dass es auch denen gut geht, die zurückbleiben. So habe ihr jemand in einem Beratungsgespräch gesagt: "Pass auf: Wenn es so weit ist, möchte ich, dass du der Gruppe Bescheid sagst. Ich möchte, dass die Heizung höhergestellt wird, und ich möchte auch, dass alle mehr Obst kriegen!"
Mit dem Tod einer Bewohnerin oder eines Bewohners ist jedoch die Aufgabe von Eichholtz noch nicht beendet. Als Trauerbegleiterin steht sie auch im Anschluss den Angehörigen, Freundinnen und Freunden und Mitarbeitenden der bzw. des Gestorbenen als Ansprechpartnerin zur Verfügung. "Es hat sich eine Kultur des Abschieds entwickelt", erklärt Eichholtz. So würden beispielsweise gemeinsam Lieder gesungen, um die sterbende Person zu verabschieden. Nach einer Beerdigung sei es Tradition, sich bei Kaffee und Streuselkuchen zusammenzusetzen und Erinnerungen auszutauschen. "Ich mache das Angebot, dass man einfach zu mir kommen kann, wenn man mal einen schlechten Tag hat. Meistens braucht es nur zwei, drei Sätze, um wieder einen anderen Blick aufs Leben zu haben."
Nicht in jeder stationären Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen sei das Thema "Palliative Care" verankert, weiß Eichholtz, obwohl jeder Mensch das Recht auf ein würdevolles und selbstbestimmtes Lebensende habe. "Leider erleben Menschen mit Handicap oft, dass das nicht so ist." Das zu ändern, ist für Eichholtz mehr als ein Beruf. Sie empfindet es als großes Glück, Menschen auf ihrer letzten Reise zu begleiten: "In jedem Beratungsgespräch und bei jedem Abschied bekomme ich so viel zurück. Das ist eine großartige Aufgabe - ich liebe sie und ich lebe sie."
Im Podcast "caritalks" hören Sie in Folge 86 Britta Eichholtz.
"Es gibt Weiterbildungen für Fachkräfte, bei denen auch Menschen mit Handicap dabei sind. Das finde ich ganz großartig!"
Britta Eichholtz