Gemeinsam bis zum letzten Atemzug
Die letzte Lebensphase eines Menschen ist für Angehörige und Freunde eine Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit. Deshalb fällt die Begleitung Sterbender vielen so schwer. In einer Studie aus den 1960er-Jahren aus den USA hieß es, dass Sterbende in den Krankenhäusern länger rufen müssen, bis jemand kommt, und die, die dann kommen, bleiben weniger lange. Das Leben flieht vor dem Tod. Das war schon immer so. Das ist zwar traurig, aber normal.
Wer sich Sterbenden zuwenden will, muss dies ganz bewusst tun. Wer jemandem helfen will, die letzte Phase des Lebens selbstbestimmt zu gestalten, der muss sich mit dem Thema beschäftigt haben und das Sterben auch für sich akzeptiert haben. Nur dann geht es. Aber dann geht es auch wirklich. Die Dienste und Hilfen, die in der letzten Lebensphase geleistet werden, haben eine professionelle und eine ganz persönliche Seite. Beides geht ineinander über. Das macht sie trotz aller Schwere so attraktiv und schön. Jeder stirbt auf seine persönliche Weise. Nicht jeder kann sein Sterben annehmen. Das ist für eine begleitende Person nicht leicht mit anzusehen. Trotzdem muss man das akzeptieren.
Manche sind erstaunlich frei, regeln, was zu regeln ist, führen wichtige Gespräche mit Verwandten und Freunden, leben bewusst jeden Tag und jede Stunde und treffen Entscheidungen in ihrer Gesundheitsplanung (vgl. § 132g SGB V). Andere verdrängen das Thema total und regeln folglich nichts. Viele liegen irgendwo dazwischen. Als Caritas stehen wir fest an der Seite sterbender Menschen: mit "Palliative Care", mit "Spiritual Care", mit klassischer Seelsorge, mit hospizlichen Diensten und begleitenden Gesprächen, mit Schmerztherapie und immer wieder mit Pflege, die jeder bis zum letzten Atemzug braucht.
Wir brauchen in unseren Einrichtungen eine palliative Kultur. Für Menschen mit einer lebensverkürzenden Erkrankung ist jeder Tag kostbar und soll so intensiv wie möglich gelebt werden. Das gelingt in dem Maße, wie jemand die Wahrheit über die eigene gesundheitliche Situation in den Blick nehmen kann. Was will ich tun, wenn ich noch zwei Monate zu leben habe? Eine palliative Kultur hilft, das Leben zu leben bis zu seinem Ende.
Im Vorwort der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen heißt es: "Die letzte Lebensphase und das Sterben eines Menschen zu begleiten und Trauernden zur Seite zu stehen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Dies stellt hohe Anforderungen an eine umfassende, multiprofessionelle und vernetzte ambulante und stationäre Hospiz- und Palliativversorgung, welche insbesondere die Linderung von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen sowie die Stärkung der Lebensqualität anstrebt."
Bei der Bewältigung dieser Aufgabe will die Caritas weiter mitwirken. Wir stehen mit vielen Einrichtungen und Diensten in diesem Arbeitsfeld: Hospize, SAPV, Krankenhäuser mit spezialisierten schmerztherapeutischen und palliativmedizinischen Abteilungen. In allen unseren Einrichtungen der stationären Altenhilfe werden Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet.
In all diesen Tätigkeiten kann menschliche Nähe liegen als ein Angebot, diesen letzten Lebensweg gemeinsam zu gehen. Soweit das für Begleitende und Helfende überhaupt geht. Denn zum Sterben gehört die harte Wahrheit, dass das jeder letztlich allein tut - und das auch noch zum ersten Mal in seinem Leben. Das Ganze ist nicht leicht.
Wir brauchen Professionalität mit ihren Standards, und wir brauchen Behutsamkeit und Achtsamkeit mit diesem Menschen, der so arm ist, dass er sich nicht mehr im Leben halten kann. Es ist gut, dass wir darüber reden und diese Ausgabe als Austauschforum haben. Vielleicht braucht es in keinem anderen Dienst so sehr "caritas": Liebe für meinen armen Bruder oder meine arme Schwester, so wie er oder sie nun mal ist.