„Wichtig ist, was die Menschen nicht sagen“
Über den Besuch der seelsorglichen Begleiterin Christiane Lorenz (l.) freut sich Elisabeth Talenberg. Lorenz ist die erste seelsorgliche Begleiterin in der ambulanten Pflege im Erzbistum Paderborn.Hartmut Claes
Christiane Lorenz übt eine besondere Tätigkeit aus. Sie ist die erste seelsorgliche Begleiterin in der ambulanten Pflege. Die 51-jährige Pflegekraft des Caritasverbandes Witten lacht, wenn sie gefragt wird, ob sie so etwas wie Aushilfspriester sei. "Nein", antwortet sie dann. "Ich versuche herauszufinden, welche spirituellen Bedürfnisse ein Mensch hat. Ich höre zu, sitze bei ihnen, rede mit ihnen. Und wenn zum Beispiel jemand die Kommunion wünscht, dann organisiere ich das." Die Menschen, die sie daheim besucht, sind aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit nicht mehr mobil, können keinen Kontakt mehr zur Gemeinde halten, geschweige denn Gottesdienste besuchen.
Um wirklich mit Menschen ins Gespräch zu kommen und ihre Wünsche zu ergründen, braucht sie Zeit. Die hat sie nun, denn 50 Prozent ihrer Stelle werden vom Erzbistum Paderborn bezahlt. Neu ist diese Möglichkeit der Begleitung nicht, nur wird sie für gewöhnlich von Menschen ausgeübt, die in stationären Einrichtungen arbeiten, etwa von Mitarbeitern von Seniorenheimen. Christiane Lorenz ist die erste "fahrende" Begleiterin. Sie hat dafür eine Fortbildung absolviert, in der die vielfältigen Aspekte seelsorgerischer Arbeit vermittelt wurden.
"Manchmal", erzählt sie, "möchten Menschen nur reden. Über Gott und die Welt. Und manchmal möchten sie einfach mit jemandem zusammen schweigen." Wie die alte Dame, die wusste, dass sie bald sterben würde, und erst redete, als Christiane Lorenz eigentlich gehen wollte. "Sie war nicht sehr gläubig. Ich erzählte ihr dann von meinem Glauben und meiner Gewissheit, dass der Tod nicht das Ende ist." Später erfuhr Christiane Lorenz von den Angehörigen, dass sie deren Mutter mit ihren Worten sehr viel Trost gegeben hatte. "Hätte ich die Zeit nicht, diese 50 Prozent meines Stellenumfangs, hätten wir nie dieses Gespräch geführt."
Seit sie zur seelsorglichen Begleiterin ausgebildet wurde, hat sie einen schärferen Blick dafür bekommen, die spirituellen Bedürfnisse zu erkennen. "Wichtig ist, zu erkennen, was die Menschen nicht sagen, wenn man mit ihnen über ihre Ängste, Hoffnungen und Bedürfnisse spricht." Viele Fälle werden an sie herangetragen, sie besucht dann die Menschen, baut Kontakte auf. Sie begleitet Menschen, die aus der Wohnung ins Heim wechseln, sie bietet Angehörigen ein Ohr. "Und liegt ein Mensch im Sterben und es wird gewünscht, dann bleibe ich natürlich bei ihm." Momentan betreut sie etwa 40 Pflegebedürftige in Witten. Nicht alle sind übrigens aktive Gemeindemitglieder gewesen. "Aber mein Dienst ist ein Dienst am Menschen. Das ist alles, was zählt."