Zeit für Angehörige
Quelle: Bertelsmann-Stiftung: Themenreport Pflege. Szenario 3 (polit. „Wunschszenario“): Vorrang der häuslichen Pflege nimmt zu, stationäre Pflege bleibt gleich.
Seit Juni 2015 ist auch der Caritasverband im Bistum Essen als familienfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet. Das Zertifikat vergibt die von der Hertie-Stiftung gegründete berufundfamilie gGmbH. Der Caritasverband hatte zuvor ein dreimonatiges sogenanntes Audit-Verfahren zur nachhaltigen Verbesserung einer familienbewussten Personalpolitik durchlaufen. Ein "Audit" ist ein kontrolliertes Verfahren, das untersucht, ob Prozesse, Anforderungen und Richtlinien die geforderten Standards erfüllen. "Wir brauchen in Deutschland einen sozialen Klimawandel für Familien. Es muss mehr Solidarität für Familien und konkrete Entlastung geben", erklärt Diözesan-Caritasdirektor Andreas Meiwes. "Wir wollen aber nicht nur fordern. Als familienfreundlicher Arbeitgeber wollen wir diesen Anspruch auch selbst einlösen."
Die Angebote, die unter dem Signum des Audits bei der Caritas im Bistum Essen entwickelt werden, tragen verschiedenen Phasen des Lebens Rechnung und ermöglichen einen fairen Ausgleich von Arbeitgeberinteressen mit denen der Arbeitnehmer/-innen. Beispiel Familienphase: Um Mitarbeiter/-innen eine möglichst stressfreie Kinderbetreuung zu ermöglichen, können Arbeitszeiten arbeitnehmerfreundlich und arbeitgebertauglich organisiert werden. Gleiches soll für Mitarbeiter/-innen gelten, die Angehörige pflegen. Dies ermöglichen heute schon flexible Arbeitszeiten und individuelle Absprachen. Der Verband prüft zudem mit Beteiligung der Mitarbeitervertretung weitere Möglichkeiten der Flexibilisierung.
Instrument der Organisationsentwicklung
"Das Audit ist ein Instrument der Organisationsentwicklung, mit dem wir uns als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Die in der Unternehmensstrategie verankerte Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für uns eine Antwort auf den sich ständig verändernden Arbeitsmarkt und den demografischen Wandel", sagt Meiwes. Mit Infoveranstaltungen, Broschüren und Beratungsangeboten zu weiteren Fragen unterstützt die Caritas ihre 68 Mitarbeiter/-innen. Dazu gehören Fortbildungsangebote zur Pflege von Angehörigen, Vorsorgevollmacht, Betreuungsvollmacht und Patientenverfügung. Der Verband stellt seinen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern eine Vorsorge- und Notfallmappe zur Verfügung, in der alle wichtigen Dokumente - wie beispielsweise Patientenverfügung und Checklisten für Notfälle - enthalten sind. Informationen für (werdende) Eltern, auch zur Elternzeit gibt es in schriftlicher Form. Ein Flyer fasst alle Leistungen des Arbeitgebers für Mitarbeiter/-innen zusammen: flexible Arbeitszeiten, Sonderregelungen etwa bei Geburt oder Heirat, das Angebot des Firmentickets sowie die Einrichtung eines Kontos bei einer Bistumsbank.
Informationen und Beratung
Die als Teil des Audits entwickelten Infoveranstaltungen und Gesundheitstage sind erste Schritte zu einem betrieblichen Gesundheitsmanagement. Dazu gehört auch eine Vereinbarung zur Wiedereingliederung von Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern. Einzelne Fachkolleginnen/-kollegen im Hause stehen für kollegiale Beratungen zu bestimmten Themen zur Verfügung: So berät die für Kinderhilfe zuständige Referentin in Fragen der Kinderbetreuung. Bei Fragen zur Pflege von Angehörigen berät die Abteilung Senioren, Gesundheit und Soziales. Außerdem steht die für das Audit zuständige Mitarbeiterin im Austausch mit anderen Caritasverbänden und Unternehmen, die Maßnahmen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie umsetzen. So ist der Caritasverband im Bistum Essen Partner im Essener "Bündnis für Familie", einem lokalen Netzwerk von Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, das die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Familien in Essen verbessern will.
Das alle drei Jahre zu wiederholende Audit erfasst den Status quo der bereits angebotenen Maßnahmen zur besseren Balance von Beruf und Familie, entwickelt systematisch das betriebsindividuelle Potenzial und sorgt mit verbindlichen Zielvereinbarungen dafür, dass Familienbewusstsein in der Unternehmenskultur verankert wird. Ein Zertifikat dient als Beleg für den erfolgreichen Abschluss dieses Prozesses und als Qualitätssiegel. Die 1998 von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründete berufundfamilie gGmbH gilt heute bundesweit als herausragender Kompetenzträger in Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das Bundesfamilienministerium fördert das "audit berufundfamilie" aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Es steht unter der Schirmherrschaft der Bundesfamilienministerin und des Bundeswirtschaftsministers. Zertifikate zum "audit berufundfamilie" wurden erstmals 1999 vergeben.