Mehr Generationengerechtigkeit
Carsten Linnemann (38) ist promovierter Volkswirt und seit 2009 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für die CDU (Wahlkreis Paderborn). Er ist auch Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU/CSU. 2012 erhielt er den „Preis der Generationengerechtigkeit“ des Unternehmerverbands Die Jungen Unternehmer – BJU. Kontakt: www.carsten-linnemann.de
Seit einigen Jahren jedenfalls trägt die Reformrhetorik der Politik nicht mehr dazu bei, die Reformbereitschaft bei den Menschen zu erhöhen. In dieser Gemengelage besteht für die Politik die Gefahr, den bequemen Weg zu nehmen und den Bürgern teure Versprechungen zu machen. Rentengarantien und die Aufstockung von Sozialleistungen werden zu Wahlkampfschlagern.
Verantwortliche Politiker sollten aber nicht den kurzfristigen Vorteil versprechen, sondern an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger appellieren. Wer dies versäumt, unterschätzt die Intelligenz der Wähler, denn auch Wähler sind Eltern und Großeltern. Deshalb ist es wichtig, dass wir endlich wieder dazu übergehen, die Menschen für die Zusammenhänge unseres Rentensystems zu sensibilisieren, statt im Monatsrhythmus der Rente mit 70, 75 oder gar 80 das Wort zu reden.
Walter Eucken, einer der Vordenker der sozialen Marktwirtschaft, hat bereits Mitte des letzten Jahrhunderts erkannt, dass unsere Wirtschaftsordnung als Generationenvertrag begriffen werden muss. Generationenvertrag wiederum bedeutet nichts anderes als Chancengerechtigkeit. Jeder Mensch muss seinen Fähigkeiten nach die gleichen Chancen für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung haben. Dies kann aber nicht funktionieren, wenn ständig steigende Staatsschulden und immer größere Deckungslücken in den Sozialversicherungen aufgetürmt werden, die nachfolgende Generationen schließen müssen. Was ist also zu tun? Es gibt unzählige Punkte, die es anzusprechen gilt. Im Folgenden will ich mich auf drei konzentrieren.
Erstens: längeres Arbeiten. Dabei geht es nicht um Zwang, sondern um einen Mentalitätswandel: Wir müssen länger arbeiten, aber wir müssen vor allem länger arbeiten wollen. Ja, es gibt Berufe, in denen den Arbeitnehmern so viel abverlangt wird, dass sie sich geradezu in den gesetzlichen Ruhestand hinüberretten oder erst gar nicht so weit kommen. Hier müssen wir bei der Erwerbsminderungsrente ansetzen und diese stärken. Gleichzeitig gibt es jedoch zahlreiche Arbeitnehmer, die heute bei bester Gesundheit und mit viel Tatendrang aus dem Erwerbsleben aussteigen. Wer dieses Potenzial in einer älter werdenden Gesellschaft nicht heben will, handelt unverantwortlich.
Was wir also jetzt brauchen, ist der Abbau von Beschäftigungshürden für Ältere. Das bislang geltende Befristungsverbot zur Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer, die bereits das Rentenalter erreicht haben, war eine solche Hürde. Seit einigen Monaten ist sie abgeschafft. Nach den arbeitsrechtlichen Regelungen müssen jetzt die sozialrechtlichen Regelungen kritisch unter die Lupe genommen werden. Insbesondere bei den Sozialabgaben für arbeitende Rentner gibt es Handlungsbedarf. Derzeit müssen Arbeitgeber für Arbeitnehmer im Rentenalter Sozialbeiträge entrichten, obwohl diese überhaupt nicht mehr arbeitslos werden können und ihre Rente bereits beziehen. Das ist absurd und muss korrigiert werden.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Zweitens: die Stärkung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Ein großes Hemmnis bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge liegt darin, dass sie vielen Sparern schlichtweg zu komplex und intransparent erscheint. Verschiedene tarif-, steuer-, arbeits- und haftungsrechtliche Aspekte verunsichern sowohl Sparer als auch mittelständische Unternehmen. Hinzu kommt die mangelhafte Rentabilität als Folge der Niedrigzinspolitik.
Der Bund muss deshalb wenigstens einen Teil seiner Gewinne aus der Niedrigzinsphase zurück an die Sparer geben. Ohne spürbare Schritte droht der zweiten und dritten Säule der Rente ansonsten der Akzeptanzverlust. Dazu gehört auch, dass derjenige, der privat vorgesorgt hat, nicht länger demjenigen gleichgestellt wird, der sich gar nicht gekümmert hat. Wer im Alter also in Not gerät, sollte deshalb einen Teil seiner privaten oder betrieblichen Vorsorge behalten dürfen. Ich plädiere deshalb für einen Freibetrag in der Grundsicherung im Alter. Ein zweiter wesentlicher Schritt wäre es, die betriebliche Altersvorsorge bei den Gesundheitskosten zu entlasten. Seit 2005 greift der Staat hier in die Ersparnisse, so dass sich teilweise sogar negative Renditen ergeben.
Drittens: Die Beamtenversorgung muss reformiert werden. Wenn sich Selbstständige und Angestellte auf schmerzhafte Reformen bei der Altersvorsorge einstellen müssen, gilt dies erst recht für Beamte. Niemand darf sich hinter den "hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums" verschanzen, um Reformzumutungen auf andere abzuwälzen. Wir brauchen dringend Mechanismen im Haushaltsrecht, die dafür sorgen, dass genügend Rückstellungen für die zu erwartende Welle an Pensionsverpflichtungen gebildet werden können. Zugleich müssen wir dafür sorgen, dass diese Welle von Pensionsverpflichtungen nicht weiter ansteigt. Im Übrigen gehören auch die Versorgungsbezüge von politischen Beamten, Ministern und Abgeordneten selbstverständlich auf den Prüfstand. Es gibt keinen Grund, diese Gruppen von der Pflicht zur Wahrnehmung einer eigenverantwortlichen Altersvorsorge auszuschließen.
Bevölkerungsentwicklung - Ergebnisse der 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, Bevölkerung nach Altersgruppen bis 2060 (Basis: 31.12.2013)Quelle: Statistisches Bundesamt
Die Frage der Generationengerechtigkeit lässt sich aber nicht nur über die Rente lösen. Die jüngst positive wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir den nachfolgenden Generationen eine immense Staatsverschuldung aufgebürdet haben. Wir müssen wieder damit anfangen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen unseres Wohlstands zu pflegen. Statt einer Umverteilungs- und Klientelpolitik bedarf es grundlegender staatlicher Reformen von A bis Z, angefangen bei einer breit aufgestellten Altersvorsorge bis hin zu einer qualifizierten Zuwanderung.