NRW-Politiker zum ländlichen Raum
Annette Watermann-Krass (MdL - SPD)
Gutes Schulangebot erhalten
Ja, wir haben viele Großstädte in Nordrhein-Westfalen. In den großen Städten des Ruhrgebiets haben wir mit den Folgen der Strukturkrise nach Ende des Bergbaus zu kämpfen. Dennoch sind Großstädte bei den Menschen beliebt. Aber auch unsere ländlichen Regionen haben viel zu bieten.
Annette Watermann-Krass stammt vom Hof und ist in Sendenhorst (Münsterland) geboren und lebt dort noch immer. Die gelernte Grafik-Designerin ist seit 2005 Landtagsabgeordnete der SPD. Derzeit arbeitet sie im Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, im Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend sowie im Petitionsausschuss mit. Sie ist Sprecherin ihrer Fraktion für den ländlichen Raum.
Sowohl Land- und Forstwirtschaft als auch produzierendes Gewerbe wird im ländlichen Raum betrieben, sichert Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Die Landesregierung hat das im Blick und sorgt daher dafür, dass der ländliche Raum nicht vernachlässigt wird. Gleichzeitig kann es bei Verteilungsfragen aufgrund der sehr unterschiedlichen Bevölkerungsdichte zwischen städtischen und ländlichen Gebieten natürlich zu Unterschieden bei der Mittelzuweisung kommen. Unser Ziel ist es aber, gleichberechtigte Lebensverhältnisse im ganzen Land zu schaffen.
Wir müssen die Entwicklungen genau beobachten und praktikable Vorschläge für die Organisation des Gemeinwesens in ländlichen Gebieten machen. Durch die Einführung neuer Schulformen, wie der Sekundarschule, konnten wir sicherstellen, dass ein gutes Schulangebot im ländlichen Raum auch bei sinkender Kinderzahl erhalten bleiben kann. Wir sollten aber auch die Möglichkeiten der digitalen Welt nutzen. So kann zum Beispiel durch Apps und andere Online-Dienste die Mobilität im ländlichen Raum erhalten werden. Gleichzeitig ist es wichtig, die Menschen vor Ort mit einzubeziehen und auch das bürgerschaftliche Engagement zu stärken. Konkret geschieht das zum Beispiel über die Förderung der LEADER-Regionalentwicklungsprogramme, die mit EU-Mitteln gefördert werden. Aber auch über LEADER hinaus findet eine konkrete Förderung des ländlichen Raums über EU- und Landesmittel statt, zum Beispiel durch die Programme zur Breitbanderschließung oder die Förderung der Dorfentwicklung.
Unsere Bevölkerung ist gut ausgebildet und offensichtlich produktiv und innovativ. Das zeigt sich allein schon an den vielen erfolgreichen Unternehmen, die im ländlichen Raum angesiedelt sind wie auch an der oft niedrigen Arbeitslosenquote. Gleichzeitig sind die Menschen im ländlichen Raum stark eingebunden in Vereine und Verbände. Das Engagement der Menschen stärkt auch die Gemeinschaft und ist für das gemeinsame Leben in Dörfern und kleinen Städten und Gemeinden sehr wertvoll.
LEADER - Förderprogramm für den ländlichen Raum
Mit dem Regionalentwicklungsprogramm LEADER fördern die EU und das Land Nordrhein-Westfalen innovative Projekte zur Stärkung des ländlichen Raums.
Der Name LEADER stammt aus dem Französischen und steht für "Liaison entre actions de développement de l’économie rurale", was so viel bedeutet wie "Verbindung von Handlungen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft".
Die Entwicklung der ländlichen Regionen im Rahmen von LEADER erfolgt von unten nach oben (Bottom-up-Prinzip). Die EU gibt dabei nur einen groben Rahmen vor. Verantwortlich für die Umsetzung des LEADER- Programms auf regionaler Ebene sind die LEADER-Aktionsgruppen. Die Aktionsgruppen erarbeiten die Entwicklungsschwerpunkte und die Entwicklungsziele für ihre LEADER-Region und verankern diese in einem regionalen Entwicklungskonzept. Auf Grundlage des Entwicklungskonzeptes entscheiden sie darüber, welche Projekte in ihrer Region für das Erreichen der Entwicklungsziele am besten geeignet sind und somit gefördert werden sollen.
Christina Schulze Föcking (MdL - CDU)
Kreativität und Flexibilität
Nordrhein-Westfalen ist ein buntes Land. Wir verfügen mit dem Ruhrgebiet über den fünftgrößten Ballungsraum in Europa. Aber dennoch wohnen rund 60 Prozent der Menschen außerhalb von Großstädten. Die Menschen im ländlichen Raum haben in den letzten Jahren einen Strukturwandel geschafft, der sich sehen lassen kann.
Christina Schulze Föcking (CDU) vertritt seit 2010 den Wahlkreis Steinfurt I als direkt gewählte Abgeordnete im nordrhein-westfälischen Landtag. Sie ist staatlich geprüfte Landwirtin und bewirtschaftet gemeinsam mit ihrer Familie den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb in Burgsteinfurt. Schulze Föcking ist ordentliches Mitglied des Petitionsausschusses und des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, dessen Sprecherin für die CDU-Fraktion sie ist. Seit 2011 ist Schulze Föcking Landesvorsitzende des Agrarausschusses der CDU NRW und seit 2012 Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion für Landwirtschaft, Verbraucherschutz und ländliche Räume.
Der ländliche Raum ist wirtschaftlich breit aufgestellt und erfreut sich als Wohn- und Wohlfühlort hoher Beliebtheit. Es wäre falsch, Stadt und Land gegeneinander auszuspielen. Denn eines ist klar: So wie der ländliche Raum die Stadt braucht, braucht die Stadt den ländlichem Raum. Nur zusammen können wir den demografischen Wandel erfolgreich meistern.
Unser Ziel muss es sein, dass es auch zukünftig landesweit gleichwertige Verhältnisse für die Menschen gibt. Patentlösungen, wie dies zu erreichen ist, gibt es nicht. Die Problemlagen sind von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Die Bewältigung des demografischen Wandels ist eine Aufgabe, die viele Akteure gemeinsam lösen müssen. Land, Kommunen, Wirtschaft, Verbände und die Bürgerinnen und Bürger müssen in einen engen Dialog miteinander treten. Das Land kann hierbei Ideen bündeln und anderen Kommunen zur Verfügung stellen. Es kann Impulse weitergeben und Förderprogramme (wie z.B. das Hausarztprogramm) auflegen.
Eine besondere Bedeutung kommt der Digitalisierung zu. In einer digitalisierten Welt können strukturschwache ländliche Räume mit den großen Metropolen weltweit gleichziehen. Große Entfernungen schrumpfen auf einen Mausklick. Firmen weltweit können sich untereinander vernetzen und den Rohstoff des 21. Jahrhunderts austauschen: Wissen. Bits und Bytes brauchen keine Autobahn, dafür aber Glasfaser. Hier müssen wir eindeutig besser werden.
Die Stärke der Menschen im ländlichen Raum liegt ganz klar in ihrer Kreativität und Flexibilität. Der ländliche Raum hat, von der Öffentlichkeit unbemerkt, in den letzten Jahrzehnten einen höchst erfolgreichen Strukturwandel erlebt. So gibt es beispielsweise im Südsauerland mittlerweile mehr industrielle Arbeitsplätze als im Ruhrgebiet. Die Produkte von dort werden in alle Welt geliefert.
Die Menschen im ländlichen Raum packen an und gestalten ihr Lebensumfeld eigenverantwortlich. Noch immer liegt das Ehrenamt, bei der Feuerwehr oder im Sportverein, hoch im Kurs. Brauchtumsvereine wie Schützenvereine bilden wichtige gesellschaftliche Klammern. Diese Strukturen und dieser sichere Rückhalt machen es erst möglich, sich für Neues zu öffnen.
Norwich Rüße (MdL - Grüne)
Sehr gut aufgestellt
Es ist letztlich ein Ausdruck sozialstaatlicher Solidarität, die Mittelverteilung dem Bedarf entsprechend zu gestalten. Dies geschieht entlang von nachvollziehbaren, objektiven Kriterien und nicht nach Gutsherrenart. Insofern wird der ländliche Raum nicht vernachlässigt oder bevorzugt, sondern gerecht und gleichberechtigt behandelt.
Norwich Rüße ist in Steinfurt-Hollich mit drei älteren Geschwistern auf einem Bauernhof aufgewachsen. Nach dem Abitur studierte er in Berlin Geschichte und Biologie, arbeitete dann mehrere Jahre am Institut für Regionalgeschichte in Münster. Von 2000 bis 2010 war er Kreisgeschäftsführer des Grünen-Kreisverbandes Steinfurt. Rüße bewirtschaftet im Nebenerwerb einen Bauernhof nach den Richtlinien des Bioland-Verbandes. Seit 2010 ist er Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtages und vertritt für die Grünen die Politikbereiche Naturschutz, Landwirtschaft, Tierschutz und Ernährung und ist Mitglied im Ausschuss des Landtages für Umwelt, Landwirtschaft, Klimaschutz, Naturschutz, Verbraucherschutz.
Angesichts der insgesamt unzureichenden finanziellen Mittel, die von der Bundesregierung den Ländern zugewiesen werden, ist es allerdings verständlich, dass es in fast allen Kommunen Unmut gibt. Denn die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker - egal ob Ballungsgebiet oder ländlicher Raum - stellen fest, dass für die Wahrnehmung der eigenen Aufgaben für die Menschen vor Ort eigentlich mehr Geld benötigt wird. Der Verteilungsschlüssel berücksichtigt aber, wie gut oder schlecht es einer Gemeinde geht. Bei der vom Bund zugewiesenen knappen Finanzmasse ist es wie mit einer viel zu kurzen Bettdecke - man kann sie ziehen und zerren, sie reicht aber einfach nicht aus, um alle gleichermaßen warm zu halten. Daher benötigen wir dringend einen gerechten Finanzausgleich auf Bundesebene, wovon letztlich auch alle Gemeinden in NRW profitieren würden.
Eine direkte und systematische Vernachlässigung des ländlichen Raums durch die Politik vermag ich also nicht zu erkennen. Alle Gemeinden in NRW benötigen eine solide und dauerhaft kalkulierbare Finanzierungsgrundlage, weil sie ansonsten ihre Leistungen einschränken oder teilweise einstellen müssen. Das Land NRW kommt hier seiner Verantwortung nach, während die Bundesregierung auf Kosten von Ländern und Kommunen spart.
Die ländlichen Räume in NRW weisen eine sehr hohe Wirtschaftskraft auf (Münsterland, Ostwestfalen, teilweise Sauerland). Die dort ansässigen Unternehmen produzieren Waren mit hoher Wertschöpfung für den Weltmarkt. Durch eine hohe Diversifizierung sind diese Regionen wenig krisenanfällig, und auch die Arbeitslosigkeit ist dort oftmals sehr niedrig.
Insofern sind diese Regionen derzeit sehr gut aufgestellt und haben damit gute Voraussetzungen, die Zukunft zu meistern. Der demografische Wandel trifft diese Regionen oftmals auch nicht stärker als städtische Problemregionen. Wirklich problematische ländliche Räume sind in Nordrhein-Westfalen eher selten, und die Situation ist insgesamt nicht vergleichbar zum Beispiel mit der in den ostdeutschen Bundesländern.
Zu bewältigen sind daher in NRW auch keine Probleme, sondern neue Aufgaben und Herausforderungen. So wird der demografische Wandel vor allem ältere Menschen betreffen, die darauf angewiesen sind, sich wohnungsnah zu versorgen, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen und einen Hausarzt in der Nähe zu haben. Auch bezüglich leer stehender Immobilien müssen Konzepte für Siedlungen erarbeitet werden, die die Attraktivität erhalten oder sogar steigern können. Dafür müssen jedoch jeweils örtliche Lösungen gefunden werden, die aber nicht von oben verordnet werden können, sondern zusammen mit dem Engagement der Menschen vor Ort entstehen sollen.
Nachbarschaftshilfe, die Möglichkeit, sich in Vereinen zu organisieren, und Unternehmen, die dem Wohl ihrer Mitarbeiterschaft einen hohen Stellenwert beimessen, sind auch heute noch eher Kennzeichen für die Lebenszusammenhänge in unseren ländlichen Räumen. Das sind auch gute Voraussetzungen für ehrenamtliches Engagement wie in der freiwilligen Feuerwehr, in Sportvereinen, in Bürgerbusvereinen, in Schützenvereinen oder auch in der Kommunalpolitik.
Darin drückt sich die eigentliche Stärke der Menschen im ländlichen Raum aus, zunächst einmal zu versuchen, die Probleme vor Ort selbst in die Hand zu nehmen und zu lösen.