Im Alltag einfach da
"Das Schönste war, dass mir geholfen wurde." Einfach und klar spricht Carina Lambert* (24) von ihrer Familienpatin. Erzählt, wie es ihr ging, als Barbara Truß (62) zum ersten Mal in ihre kleine Wohnung kam, um ihr zur Seite zu stehen. "Ich hatte Stress mit meiner Familie und deswegen keinen Kontakt und wusste nicht mehr weiter", sagt Carina, die ihre kleine Tochter Emily allein großziehen muss. Familienpatin wurde Barbara Truß, Realschullehrerin kurz vor der Pensionierung. Anfangs einmal in der Woche besuchte sie die Kleinstfamilie. Sie spielte mit der kleinen Emily, gab Tipps für den Haushalt - und half Carina bei Behördenangelegenheiten. Hartz IV und Wohngeld mussten beantragt werden, Unterhaltsforderungen waren zu stellen, das Kindergeld. So viel war zu klären, weil Carina die Verantwortung für ihr eigenes Leben und für ihr Kind ernst nahm.
Die beiden kamen miteinander klar, obwohl sie in völlig unterschiedlichen Welten zu Hause sind. "Als ich kam, lief immer der Fernseher", erzählt Barbara Truß. Für sie ein Kulturschock: Die Wohnung war kaum eingerichtet, es fehlten Bilder und Bücher, Gardinen, und der Laminat-Fußboden war auch noch nicht gelegt. "Es war schon schwierig", bestätigt Carina. Das Kleinkind forderte die junge Mutter den ganzen Tag. Den Haushalt zu machen, musste sie auch erst einmal lernen. Die finanzielle Situation war angespannt, weil der Vater der kleinen Emily sich nach wenigen Besuchen gar nicht mehr blicken ließ und kein Unterhalt kam.
Die Übernahme einer Familienpatenschaft ist freiwilliges Engagement im Rahmen der Frühen Hilfen, die offensichtlich immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wer bereit ist, eine Patenschaft zu übernehmen, muss eine kleine Schulung mitmachen und sich dann auch verbindlich für eine Patenschaft entscheiden. Das Konzept der Familienpaten hatte der SkF Hagen 2011 ausgearbeitet. Auf eine Zeitungsanzeige meldeten sich 14 Interessierte, von denen sich nach einem Informationsabend und Vorgesprächen zwölf Familienpaten entschieden, kontinuierlich in dem Projekt mitzuarbeiten. "Mit denen haben wir eine Schulung über acht Einheiten gemacht, in denen es um Themen wie Kommunikation, Distanz und Nähe, Kinderpflege, Entwicklung des Kindes, aber auch um die Unterschiedlichkeit von Familien ging", sagt die Sozialarbeiterin Renate Siegler-Vieregge, die gemeinsam mit der Sozialpädagogin Yvonne Knura die Familienpaten begleitet. Im Verlauf der Schulung entstand ein Profil der zukünftigen Paten, in dem sie angeben konnten, was sie gerne möchten und wo auch Bedenken zu berücksichtigen sind oder Grenzen bestehen. So wie die Hilfe freiwillig ist, quasi "ein Geschenk an die Familie", wie Siegler-Vieregge sagt, so ist auch die Annahme der Hilfe durch die bedürftige Familie freiwillig. Dazu gehört auch eine sogenannte "Auftragsklärung", es wird also abgesprochen, welche Hilfe und in welchem Umfang derzeit notwendig ist.
Für Hildegard Brinkmann (73) war zum Beispiel klar, dass sie als Familienpatin nur kurz, aber bei Bedarf sehr intensiv zum Einsatz kommt. "Ich wollte Frauen unter die Arme greifen und Trost spenden, aber keine Kinder betreuen", sagt sie. Sie kam in Kontakt zu einer Schwangeren, deren Partner die Vaterschaft nicht anerkennen wollte und mit ihr nichts mehr zu tun haben wollte. "Ich hatte sie oft am Telefon, habe sie zu Behörden begleitet und auch ganz viel Trost gespendet, sie hat viel geweint", erzählt Brinkmann. Eine Patenschaft mit großer Nähe und manchmal täglichem Kontakt.
"Eines Tages ging dann das Telefon, und da sagt sie: Ich muss jetzt ins Krankenhaus", erzählt Hildegard Brinkmann. Da nimmt die Patin ihren ganzen Mut zusammen und fährt auch in den Kreißsaal, um der Frau bei der Geburt beizustehen. "Ich habe ihr den Rücken massiert, den Schweiß abgewischt, ich habe ihr Händchen gehalten und ihr zu trinken gegeben - und ehrlich gesagt: Ich fand es auch interessant." Die Geburten ihrer eigenen Kinder liegen schon so lange zurück. Als dann hinterher "so ein kleines, süßes Baby dalag, fand ich das ganz toll", ist sie noch heute gerührt. Beim Standesamt meldet sie das Kind an, besorgt Medizin in der Apotheke, begleitet sie zum Kinderarzt - so lange, bis die junge Mutter nach der Geburt selbst wieder Tritt fasst. Denn dann sollte die Begleitung enden - so von vornherein die beiderseitige Absprache.
"Wir haben ein abschließendes Gespräch mit der jungen Mutter geführt", erklärt Yvonne Knura, "und natürlich auch gefragt, ob sie weitere Hilfe benötigt." Dann wäre eine andere Familienpatin vin den Haushalt gegangen. Knura und ihre Kollegin Siegler-Vieregge sind für die Familienpaten täglich telefonisch erreichbar, sie klären die Bedürftigkeit bei den Familien, moderieren die Auftragsklärung und das Ende der Patenschaft. Und sie organisieren regelmäßige Treffen der Familienpaten, bei denen Raum und Gelegenheit bestehen, das Erlebte zu reflektieren und sich auszutauschen. Das Konzept des SkF Hagen lässt unterschiedliche Intensität und Dauer einer Patenschaft zu. Es kann sich durchaus jemand ein Jahr lang engagieren und einmal in der Woche oder auch nur alle zwei Wochen bei der Familie sein. "Andere betreuen sehr intensiv, aber nur kurz die Familie", sagt Knura. Hildegard Brinkmann hatte fast täglich persönlichen oder telefonischen Kontakt mit ihrer Schwangeren, ein enormer Zeitaufwand, den sie sich so gar nich t vorgestellt hatte. Aber: "Ich habe es einfach gemacht, es war dringend, es war nötig, und dann war es für mich auch in Ordnung", sagt sie.
Familienpatin Barbara Truß wird Carina und ihre Tochter jetzt seltener besuchen. Emily ist seit August im Kindergarten und entwickelt sich prächtig. Carina achtet auf eine gesunde Ernährung und hat Kochen gelernt. Die Wohnung ist gemütlich eingerichtet, die Finanzen sind geregelt, und Carina möchte im Sommer eine Ausbildung beginnen, in der sie der Caritasverband begleitet. "Ich finde es toll, was Emily für Fortschritte gemacht hat, aber Sie auch", sagt Truß. "Es ist unglaublich, was Sie aufgegriffen haben an Anregungen und das auch durchziehen", lobt sie die junge Mutter. Deren Augen leuchten vor Stolz über diese Wertschätzung der Familienpatin: "Ich muss ja stark sein für mein Kind."