Pflegemarathon im Minutentakt
Christiane Gossmann und ihr kleines Caritas-Auto sind in Salzkotten und Ursprunge gut bekannt.Karl-Martin Flüter
Schwester Christiane geht zügig die Treppenstufen hoch, drei Stockwerke, bis ganz unters Dach. Die Wohnungstür steht offen, der Patient weiß Bescheid: Viel Zeit bleibt nicht. Christiane Gossmann grüßt freundlich und nimmt dann die Medikamenten-schachtel in die Hand: die Tabletten für den Tag. Die beiden reden noch zwei, drei Sätze miteinander, wie zwei alte Bekannte, die wissen, dass der andere es eilig hat.
Dann sind die fünf Minuten, die dieser Einsatz dauern darf, erreicht. Der Weg die Treppen runter zum Auto überschreitet schon das Limit, das das Pflegemodul vorgibt. Erst im Auto nimmt Christiane Gossmann ein Smartphone und drückt eine Taste: Einsatz beendet. Online geht diese Mitteilung an die Zentrale der Caritas-Sozialstation St. Hildegard in Salzkotten. Dort wird sie später für die Abrechnung ausgewertet. Zwölfmal wird Christiane Gossmann an diesem Morgen diesen Ablauf wiederholen, und jedes Mal muss sie dabei genau auf die Zeit achten.
Der Arbeitsalltag von Christiane Gossmann hat um 6.00 Uhr begonnen, wie immer mit der Betreuung eines Ehepaares, für das sie auch das Frühstück zubereitet. Elf weitere Patienten folgen - alle mit unterschiedlichem Pflegebedarf. Von der Portversorgung über die Wundbehandlung, von der Körperwäsche bis zum Überziehen der Kompressionsstrümpfe ist alles dabei. Ein anstrengender Pflegemarathon mit einem strikten Zeitplan im Minutentakt. Trotzdem: Die Krankenschwester wird alle Patienten mit gleichbleibender Freundlichkeit behandeln. "So viel Zeit muss sein, sonst könnte ich diese Arbeit nicht durchhalten", sagt sie.
Christiane Gossmann ist Krankenschwester. Die ambulante Pflege ist für sie genau das Richtige. "Man ist sein eigener Chef", sagt sie. Seit 19 Jahren arbeitet sie in der häuslichen Pflege für den Caritasverband Büren. Ihre Tour ist eine von 16, die die Pflegekräfte der Caritas-Sozialstation St. Hildegard jeden Morgen in Salzkotten und Umgebung fahren. Salzkotten und der kleine Nachbarort Upsprunge sind das Einsatzgebiet von Christiane Gossmann, dort sind sie und ihr kleines Caritas-Auto ein vertrautes Bild. Etwa 30 Kilometer legt sie auf einer normalen Tour zurück. Am Wochenende oder wenn sie abends den Bereich einer Kollegin übernimmt, können es auch 100 Kilometer werden.
Nächste Station ist ein Bauernhof. Eine "Teilwaschung" steht an, 15 Minuten sind dafür vorgesehen. Auch das kann zeitlich nur gelingen, wenn die Patientin mitmacht. In diesem Fall ist das so, weil sich die beiden gut kennen. Seit zwei Jahren kommt Christiane Gossmann. "Alleine schaffe ich es nicht", sagt die Frau.
Beim nächsten Halt liegt die Patientin im Bett, als die Caritas-Mitarbeiterin die Wohnung betritt. Der Ehemann ist schon seit 6.00 Uhr wach. "Bis abends um 11.00 Uhr bin ich auf den Beinen, um meiner Frau zu helfen", sagt er. "Aber wenn wir keine Unterstützung hätten, müsste sie ins Altenheim." Sie bezieht Leistungen nach Pflegestufe II, damit ist die tägliche Grundpflege abgedeckt. Seit Jahren unterstützt Christiane Gossmann das Ehepaar.
"Man muss das mit Überzeugung machen"
Doch schon geht es weiter. Fünf Pflegen sind es noch bis zum Ende der Tour gegen 11.00 Uhr. Feierabend ist auch dann noch nicht, denn kurz darauf beginnt an diesem Tag der Mittagsdienst, den Christiane Gossmann mehrmals im Monat übernimmt. Auch am kommenden Wochenende wird sie Dienst haben. Zwei freie Tage hintereinander kann Christiane Gossmann nur alle 14 Tage genießen. Anstrengend ist ihr Beruf, gibt sie zu. Wenn da nur nicht der Zeitdruck wäre. "Man muss das mit Überzeugung machen", sagt sie, "anders geht es nicht."