Ehe und Familie: Un-zer-trenn-bar
Faktisch wird dieser Artikel nämlich immer weiter ausgehöhlt, etwa durch das Lebenspartner-schaftsgesetz und andere Verordnungen, die den besonderen Wert der Ehe relativieren. Zudem: zwar ist auch die staatliche Eheschließung von ihrem Grundsatz her auf Dauer angelegt, die Scheidung ist jedoch zu einer leicht zu handelnden und beliebig oft zu wiederholenden Möglichkeit verkommen, was die Bedeutung der Ehe im Bewusstsein der Menschen immer mehr herabstuft.
Völlig unklar aber wird den meisten wohl sein, was denn eine kirchliche, eine sakramentale Ehe eigentlich bedeutet. Wahrscheinlich haben viele schon einmal gehört, dass es hinsichtlich der kirchlich-sakramental geschlossenen Ehe keine Scheidung gibt und deshalb eine Zweitehe kirchlich nicht geschlossen werden kann. Dass die sakramentale Ehe aber etwas mit Berufung zu tun hat, ein Ort der Gegenwart Gottes ist und dass sie unter der Verheißung des Evangeliums steht, ist für die allermeisten fremd und unbekannt.
Im Gegensatz zur Ehe scheint der Wert der Familie hoch geschätzt zu sein. Aber nur noch 32 Prozent der knapp 40 Millionen Haushalte in Deutschland sind solche mit Kindern, also nicht einmal ein Drittel!
Es gibt viele Gründe für den Rückgang der Zahl der Familien und der Kinder. Einer ist sicherlich die strukturelle und dauerhafte finanzielle und soziale Benachteiligung der Familien in der Bundesrepublik Deutschland:
- Schon 1998 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass verheirateten Eltern nicht einmal das verfassungsrechtliche Minimum der Steuergerechtigkeit zukommt. Eltern werden faktisch höher besteuert als Kinderlose. Deshalb hat das Gericht verlangt, den Erziehungsfreibetrag zu erhöhen, da Eltern andernfalls Steuern für Einkommen entrichten, über das sie tatsächlich gar nicht verfügen. Tatsächlich werden in Deutschland Eltern bestraft, wenn sie Kindern das Leben schenken und diese erziehen.
- Im April 2001 stellte das Bundesverfassungsgericht zudem fest, dass die gesetzliche Pflegeversicherung grundgesetzwidrig ist. Die Kinderlosen, so die Richter, profitieren von den Leistungen der Eltern. Sie müssten lediglich ihre Beiträge bezahlen, einen Beitrag zum Erhalt des Bestandes der Beitragszahler aber leisten sie nicht. Eine Unterstützung der Familien ist von diesen Urteilen her also nicht eine Sozialhilfe, sondern ein Ausgleich für ihre erbrachten Leistungen, die Kinderlose nicht erbringen. Die bundesdeutschen Richter trugen der Politik auf, bis Ende 2004 eine Neuregelung zur Entlastung der Familien bei den Pflegebeiträgen umzusetzen, auch in der Renten- und Krankenversicherung. Doch der Richterspruch wurde nicht erfüllt.
- Auch mit jeder Mehrwertsteuererhöhung bestraft der Staat vor allem Familien - für Hundefutter muss in Deutschland nur die Hälfte des Mehrwertsteuerbetrages für Kindernahrungsmittel gezahlt werden. Ebenso belasten die ständig steigenden Energiekosten besonders die Familien.
- Dass die Erziehungsleistung der Eltern nicht angemessen wertgeschätzt wird, der Beruf der Hausfrau und Mutter bzw. des Hausmannes und Vaters als beruflicher Mittelpunkt ihres Lebens gering geachtet wird, verdeutlicht etwa das seit 2007 geltende Elterngeld, welches das vorhergegangene Erziehungsgeld abgelöst hat. Die Halbierung der Bezugsdauer auf ein Jahr und die Orientierung am vorhergehenden Einkommen fördern höhere Einkommen und bedienen den Wunsch der Wirtschaft nach schnellerem Wiedereinstieg in die Arbeitswelt. Eine Alternative können sich in Zukunft faktisch nur noch reiche Eltern leisten.
- Um heute eine Rente in Höhe des Sozialniveaus zu bekommen, müsste eine Mutter, die nicht erwerbstätig ist, zwei Dutzend Kinder gebären. In den Jahren 1980 bis 2002 ist das verfügbare Pro- Kopf-Einkommen der Familien um 191 Prozent in Deutschland gestiegen, das der Singles um 395 Prozent.
Zwei aussagekräftige Hinweise schließlich:
- Seit 1965 ist die jährliche Geburtenzahl fast halbiert worden, der Anteil der Kinder in Armut aber um das 16-Fache gestiegen, obwohl die Müttererwerbstätigkeit um 60 Prozent gewachsen ist.
- Der Deutsche Kinderschutzbund zählt 50 000 Mitglieder, der Deutsche Tierschutzbund 800 000 Mitglieder.
Nichtsdestoweniger besteht eine Sehnsucht besonders junger Menschen nach verlässlichen menschlichen Beziehungen gerade in Ehe und Familie, wie alle Untersuchungen zeigen. Sie haben aber Angst, dass sie ihren hohen Erwartungen nach Verbindlichkeit nicht gewachsen sind. Vielleicht ist gerade aber diese Spannung zwischen Sehnsucht und Befürchtung ein guter Ansatz zur Verkündigung und Unterstützung des Sakramentes des Ehe und der Familien:
- In der Ehe entschließen sich zwei Menschen, gemeinsam ihren Lebensweg zu gehen. Sie setzen damit die größte Möglichkeit menschlicher Freiheit: Größer kann kein Mensch seine Freiheit ausschöpfen, als dass er sich in Freiheit ein Leben lang bindet.
- Im Sakrament der Ehe nehmen sich zwei Menschen vor, ein Leben lang sich lieben zu lernen. Liebe ist auf Wachstum hin ausgerichtet. Wachstum aber braucht Zeit, Geduld und Ausdauer.
- Die christliche Ehe ist Abbild der Liebe des dreifaltigen Gottes. Gott ist die Liebe, er ist kein abgeschlossener Block, sondern Gemeinschaft: Vater, Sohn und Hl. Geist - Dreifaltigkeit. Im Sakrament der Ehe werden die Eheleute in diese göttliche Liebe hineingenommen. Im Glauben erhält ihre Liebe aus dieser Liebe Gottes ihre Kraft. Damit wird sieauch Abbild der Liebe Gottes zu seiner Kirche: "Der Mann wird seinen Vater und seine Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein. Dieses Geheimnis ist groß; ich beziehe es auf Christus und die Kirche" (Eph 5, 31-32).
- Die Ehe lebt von dem Vertrauen, dass Gott mit uns geht. Wenn zwei Menschen in ihrer Liebe vor Gott vor den Altar treten, so trauen sie sich und ihren Weg Gott an. Sie trauen nicht sich selbst alles zu, sondern vertrauen sich Gott an. Nur so ist die Ehe auch keine ständige Überforderung der eigenen Leistungsfähigkeit, sondern immer auch neues gemeinsames Wagnis des Gottvertrauens.
- Schließlich ist die Familie ein Lernort des Glaubens. So wie Menschen lernen, in der Ehe zu leben, so lernen sie, in der Familie zu glauben, stützen einander in ihrem Unglauben und bilden als Gemeinschaft des Gebetes eine christliche Hauskirche.
Ehe und Familie sind Ausdruck von Bindung. Bindung macht stark. Die deutsche Caritas führt 2013 eine Kampagne mit dem Motto "Familie schaffen wir nur gemeinsam" durch.Andrè Zelck
Weil christliche Ehe und Familie so unter der Verheißung des Evangeliums stehen, ja als Sakrament Ort der Gegenwart Gottes sind und weil sie so grund legend für das Gelingen menschlichen Leben sind, gebührt ihnen auch ein hoher kirchlicher Einsatz in Caritas und Seelsorge. Dazu gehört eine gute Vorbereitung junger Paare auf die Eheschließung genauso wie die Behandlung der Ehe in den verschiedenen Formen der kirchlichen Verkündigung. Dazu gehören die Familienbildung und die spirituelle Begleitung von Ehen und Familien oder in Familienexerzitien, damit christliche Eheleute und Familien die tiefreligiöse Dimension ihrer Beziehungen nicht aus dem Blick verlieren. Dazu gehört der Aufbau von Familienkreisen genauso wie der Ausbau der Ehe-, Familien- und Erziehungsberatung. Eine besondere Chance bieten die in NRW neu aufgestellten Familienzentren, die Familien vielfältig begleitend unterstützen können. Besondere Hilfen brauchen die Familien, in denen Behinderte - Eltern und/oder Kinder - leben. Gerade für sie müssten die Kirche und ihre Gemeinden eine Heimat sein. Angesichts der Not nicht weniger Familien und der wachsenden Kinderarmut ist es unabdingbar, dass die Familienhilfe und Familienpflege erhalten bleiben, um gerade Familien in Notsituationen ein Netz der Hilfe anbieten zu können. Hierzu gehört aber auch der politische Einsatz für familienfreundliche Arbeitsplätze oder für ein familienfreundliches Wohn- und Lebensumfeld. Zur Familie gehören aber nicht nur die jungen Paare mit ihren Kindern, sondern auch die älteren Menschen. Alle Maßnahmen der Förderung des Miteinanders der Generationen sind ein Beitrag zur Steigerung der Lebensqualität junger und alter Menschen.
Ehe und Familie sind Ausdruck von Bindung. Bindung macht stark. Deshalb ist der Dienst der Kirche und in ihr des Deutschen Caritasverbandes für Ehen und Familien so lebenswert voll, denn "Familie schaffen wir nur gemeinsam".