Das System ist auf die Null ausgelegt
Bild: Deutscher Caritasverband e. V.
Generell kann kein fester Betrag genannt werden, was ein Pflegeplatz in einem Pflegeheim kostet. Die Kosten sind von der Zimmerausstattung, dem Heim selbst, aber auch dem Standort und dem Bundesland abhängig und deshalb ganz unterschiedlich. Zur Vereinfachung muss daher ein Durchschnittswert her: In Nordrhein-Westfalen muss eine Bewohnerin bzw. ein Bewohner für einen Platz in einem durchschnittlichen Altenheim 2350 Euro pro Monat selbst zahlen. Dafür reicht bei den wenigsten Senioren die Rente, also muss meist der Staat (über Pflegewohngeld und Sozialhilfe) einspringen.
Zusätzlich zum Eigenanteil des Bewohners erstattet die Pflegekasse dem Altenheim Kosten für die reine Pflege. Und zwar abhängig vom Pflegegrad zwischen 770 Euro (Pflegegrad 2) und 2 005 Euro (Pflegegrad 5) pro Person und Monat.
Was ein Altenheim bieten muss, ist vorgegeben durch Vorschriften auf Landesebene oder Tarifwerke und insofern nicht zuletzt eine politische Frage. "Wir müssen uns entscheiden, was uns eine gute Pflege, ein gutes Wohnumfeld und interessante Angebote im Altenheim wert sind", sagt Burkhard Baumann, verantwortlich für den Altenhilfebereich bei der Caritas Steinfurt und einer der Sprecher der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft Altenheime im Bistum Münster.
"Wenn wir uns eine gute Betreuung und eine angemessene Bezahlung der Mitarbeitenden wünschen, dann kostet das", ist für Baumann klar. Deswegen müssen die Pflegesätze, also die Pauschalen, die das Heim pro Bewohner abrechnen kann, mit den Pflegekassen konsequent und kostendeckend verhandelt werden. Sonst lässt sich der Betrieb irgendwann nicht mehr weiterführen. So geschehen im Bistum Hildesheim, wo eine Finanzierungslücke dazu führte, dass die Caritas die Trägerschaft von zwei Dritteln ihrer Einrichtungen schließlich abgeben musste.
Personalkosten größter Faktor
Der Hebel für die Wirtschaftlichkeit eines Heimes sind nun mal die Personalkosten, die 80 Prozent der Ausgaben ausmachen. Mit ihren Tarifen erfülle die Caritas die Forderung von Gesellschaft und Politik nach guter Bezahlung. "Da können wir stolz sein auf die AVR", so Baumann über die Arbeitsvertragsrichtlinien, das "Tarifwerk" der Caritas. Baumann weist immer wieder aufflammende pauschale Kritik an zu hohen Kosten zurück.
Wobei die sich schnell relativieren, wenn man sie mal aufdröselt: Die 2350 Euro Eigenanteil des gewählten Beispiels eines 80-Betten-Hauses im Münsterland, das ziemlich genau den Durchschnitt abbildet, teilen sich auf in monatlich 800 Euro anteilige Pflegekosten, 1000 Euro für Unterkunft und Verpflegung sowie 550 Euro Investitionskosten. Letzteres ist die "Miete", die für ein Zimmer überschaubarer Größe hoch erscheint, aber darin enthalten sind natürlich alle gemeinschaftlichen Räumlichkeiten bis hin zum Fahrstuhl.
Auch die 1000 Euro für Unterkunft und Verpflegung hören sich erst einmal üppig an. In diesem Posten ist aber alles enthalten vom Essen über Energie und Verwaltung bis zum Gärtner. Da wird scharf kalkuliert, kann Eric Lanzrath, Geschäftsführer der Gesellschaft für Pflegesatzverhandlungen beim Diözesan-Caritasverband Münster, anhand seiner Tabelle sehen. Für Lebensmittel zum Beispiel sind am Tag fünf bis sechs Euro eingeplant, für Heizung und Strom vier Euro. Den Löwenanteil machen die Kosten für das hauswirtschaftliche Personal für die Küche, die Reinigung und die Wäscherei aus, das entweder selbst vorgehalten oder als Fremdleistung eingekauft wird. Der Spielraum ist gering. Durch den zentralen Einkauf für sechs Einrichtungen kann ein Träger zwar etwas günstiger kalkulieren als bei einem einzelnen Haus, aber letztlich ist in dem Bereich der Sachkosten nicht viel herauszuholen.
Der größte Posten bleibt eben das Personal. In NRW gilt die Fachkraftquote von mindestens 50 Prozent. Das, so Burkhard Baumann, sichere die Qualität. Zudem müssen Altenheime in NRW anders als im Nachbarbundesland Niedersachsen einen Sozialdienst mit eigenem Personalschlüssel und qualifizierten Sozialarbeitern vorhalten, der unter anderem Beschäftigungsangebote organisiert.
Fein austarierter Dienstplan
Eine durchschnittlich große Einrichtung mit 80 Plätzen kann rund 32 Vollzeitkräfte in der Pflege beschäftigen. Auf den ersten Blick mag dies für die Versorgung von 80 Bewohnern üppig erscheinen. Wenn Eric Lanzrath das aufschlüsselt, verfliegt der Eindruck schnell. Es bleiben nur noch neun Kräfte pro Schicht, die tatsächlich alle Aufgaben für 80 Bewohner mit unterschiedlicher Pflegebedürftigkeit jeweils stemmen müssen. Von den 32 Stellen in der Pflege müssen die Nachtwachen und eine Pflegedienstleitung abgezogen und die möglichen Arbeitsstunden auf 365 Tage verteilt werden. "Da treten sich nicht 32 Leute auf die Füße", bekräftigt Lanzrath. Schaffen lässt sich eine fachlich qualifizierte Betreuung dann nur mit einem geschickt austarierten Dienstplan mit Halbtagskräften und Schwerpunkten in den pflegeintensiven Phasen morgens und abends.
Die Caritas-Mitarbeitenden verdienen dabei durchaus ordentlich, ist Lanzrath überzeugt, angesichts ihrer Leistung und im Vergleich zu anderen Berufen könne man aber auch hier nicht von üppig sprechen. Das Altenheim muss im Durchschnitt 55000 Euro/Jahr für eine Pflegekraft kalkulieren, brutto weist die Gehaltsabrechnung dann 3400 Euro/Monat plus Weihnachtsgeld oder 43000 Euro im Jahr aus. Dass sich die Caritas-Tarife im Vergleich zu anderen Pflegeanbietern am oberen Rand bewegen, findet auch Burkhard Baumann völlig richtig - nicht zuletzt mit Blick auf die Sicherung der Qualität und vor allem die Attraktivität des Berufs, um in Zeiten des Nachwuchsmangels weiterhin Fachkräfte gewinnen zu können.
Gefordert sind die Altenheimträger zudem, vermehrt Nachwuchs auszubilden, dafür kommen noch einmal drei Euro pro Tag für die Finanzierung der Pflegeausbildung in Nordrhein-Westfalen hinzu.
So addiert sich eine stattliche Endsumme. Der nach Pflegegraden gestaffelte Zuschuss der Pflegekasse für den Bewohner hält dessen Anteil bei pauschal 800 Euro.
Insgesamt ist die Refinanzierung so ausgelegt, dass bei gutem Wirtschaften am Ende eine schwarze Null für den Betreiber steht. Allenfalls bleibt ein minimaler Überschuss für Reparaturen und Renovierung.
"Das System ist auf die Null ausgelegt", sagt Eric Lanzrath. Es funktioniere nur bei einer Belegung von 98 Prozent, was in der Praxis selbst bei Wartelisten ambitioniert sei.
Die Kostenträger achten schon darauf, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Normalerweise werden die Pflegesätze jedes Jahr auf der Grundlage des Vorjahres verhandelt. "Da muss alles auf den Tisch", beschreibt Lanzrath das nicht immer einfache Ringen um die für das folgende Jahr erwarteten Steigerungen bei Tarifen und Sachkosten.