Caritas lässt es in Konservendosen blühen
Foto: Christian Heidrich
Alexander hackt am Kaiserplatz in Aachen mit einer Hacke das Blumenbeet vor dem "Troddwar", einer niedrigschwelligen Einrichtung der Suchthilfe Aachen in Trägerschaft des örtlichen Caritasverbandes, auf. Da entdeckt er, dass eine Osterglocke samt Zwiebel auf dem Beet liegt. Er legt die Hacke aus der Hand, hockt sich hin, gräbt mit Zeigefinger und Mittelfinger ein Loch in die feuchte Erde, steckt die Zwiebel hinein und drückt das Erdreich an. Dann richtet er sich wieder auf und hackt gewissenhaft weiter.
Alexander ist einer von rund 25 Suchtkranken und Obdachlosen, die sich im Projekt "Querbeet" der Suchthilfe Aachen engagieren. In der Stadt ist die Truppe bekannt. Unübersehbar sind ihre neongelben Westen mit dem Querbeet-Logo auf dem Rücken. Und Beete, Blumenampeln und Hochbeete, die sie pflegen, sind oft daran erkennbar, dass entweder ein Holzpfahl drinsteckt mit dem Querbeet-Logo oder dieses auf die alten Konservendosen gesprüht ist, die als Blumenampeln dienen, oder an die zu Hochbeeten umfunktionierten Holzkisten. Material, welches das Querbeet-Team verwendet, wäre anderswo auf dem Müll gelandet. Die großen Konservendosen erhält die Suchthilfe von Krankenhausküchen oder den Aachener Mensen. Und Gartenbaubetriebe stiften einen Teil der Blumen. "Es sind Blumen, die nicht mehr verkauft werden können. Da sind dann zwar ein, zwei Blüten vertrocknet. Die zupfen wir ab und verwenden die Blumen in unseren Beeten", sagt Laurids Elsing (31), Sozialarbeiter bei Querbeet. Bei den Pflanzen, die sie verwenden, achten die Querbeet-Mitarbeiter darauf, dass sie insektenfreundlich sind, viele Bienen anlocken. "Wenn die Pflanzen blühen, summt und brummt es hier in den Beeten, und das mitten in der Stadt", sagt Elsing. Der Kaiserplatz, der Drogenszeneplatz in Aachen, liegt an einer der vierspurigen Hauptverkehrsachsen der Stadt.
Blumen verschönern die Stadtviertel
Beete wie das am Kaiserplatz betreut Querbeet an vielen Stellen in der Stadt. 32 Flächen an 20 Standorten suchen die Mitarbeiter regelmäßig auf, lockern die Erde, gießen, wenn es zu trocken ist, zupfen verblühte Blumen ab. Dass die Suchtkranken diese Arbeitsgelegenheit bei Querbeet haben, das vom Jobcenter von Stadt und Städteregion Aachen in Kooperation mit der Caritas gemeinsam finanziert wird, verdanken sie eigentlich sich selbst. Denn die Ursprünge von Querbeet liegen im "Troddwar", der Einrichtung, die für Suchtkranke in Aachen eine wichtige Anlaufstelle ist. Dort hatte sich ein Besucherrat etabliert. Die Sozialarbeiter hätten nicht länger allein die Angebote für die Besucher festlegen wollen, erzählt Mark Krznaric, der Leiter der Einrichtung: "Die Besucher wollten etwas tun gegen Langeweile und vor allem auch gegen das gesellschaftliche Bild von Suchtkranken. Und so kamen sie auf die Idee, die städtischen Beete vor der Einrichtung zu pflegen." Es gelang dem Vorstand des regionalen Caritasverbandes, beim Jobcenter eine Förderung des Projekts zu erreichen und Arbeitsgelegenheiten einzurichten. "Die Menschen, die arbeitsmarktferner nicht sein können, bekommen eine Tagesstruktur, sie verändern das Stadtbild und das Image von Suchtkranken. Querbeet ist nachhaltig in vielerlei Beziehung", sagt Krznaric.
Arbeit bietet Tagesstruktur
Jeder Querbeet-Trupp wird von einem Sozialarbeiter begleitet. Sie sind quasi Brückenbauer, unter anderem von Bürgern zu den Suchtkranken. "Wenn unsere Mitarbeiter angesprochen werden, dann erklären wir: Suchtkranke sind keine dubiosen Menschen, es sind normale Bürger, die eine andere Biografie haben", sagt Laurids Elsing. Und die Bürger erkennen an, dass die Stadtviertel durch Querbeet schöner werden. Das merkt der Sozialarbeiter daran, dass er auch zuweilen von Bürgern angesprochen und auf Probleme im Quartier hingewiesen wird. Diese Dinge gibt er dann an die Stadt weiter. Und von einigen Bürgern gab es für die Querbeet-Truppe schon Kuchen.
Der Sozialarbeiter Laurids Elsing begleitet die Suchtkranken, Obdachlosen und Rentner im Einsatz bei Querbeet.Foto: Christian Heidrich
Bei Querbeet arbeiten auch Menschen mit, die keinerlei Förderung des Jobcenters erhalten, sich aber trotzdem nach Tagesstruktur und einer Beschäftigung sehnen, zum Beispiel Rentner mit einer spärlichen Rente. Um ihnen die gleiche Mehraufwandsentschädigung von 1,50 Euro bezahlen zu können, hat Queerbeet "Beetpatenschaften" ins Leben gerufen. Bürger können Patenschaften für einzelne Beete übernehmen und unterstützen durch ihre Spende die Projektteilnehmer, die nicht über das Jobcenter finanziert werden.
Laurids Elsing hat einen der beiden elektrobetriebenen E-Scooter von Querbeet in den Hof der Zentrale an der Augustastraße in Aachen gesteuert. Ein Trupp wird gleich vor der Einfahrt eines Parkhauses Hochbeete aufstellen und bepflanzen. Nun laden die Mitarbeiter die gespendeten Holzkisten, die zu Hochbeeten umfunktioniert wurden, in das Fahrzeug, auch mehrere große Säcke Blumenerde und Pflanzen, dazu noch drei Gießkannen, mehrere Eimer und Harken. Während die Projektteilnehmer einladen, zeigt Laurids Elsing auf einer Karte im Büro, wo die Standorte der Querbeet-Beete liegen. Sie sind durch bunte Punkte gekennzeichnet. Im Süden der Stadt ist es noch kaum bunt. "Hier wollen wir jetzt verstärkt schauen, dass wir auch dort Beete pflegen oder Hochbeete anlegen", sagt Elsing.
www.caritas-aachen.de/angebote/e/querbeet/
Kontakt
Mark Krznaric
Telefon: 02 41/9 80 91 03