Ein neues Ehrenamt mit Liebe zur Vespa
Sie genießt nicht nur die knatternden Fahrten mit der dreirädrigen Vespa, vor allem schätzt sie die interessanten Gespräche, die ein weites Spektrum umfassen. Das Cafémobil, das erstmals auf dem Katholikentag 2018 eingesetzt und von der Caritas Herten übernommen wurde, ist in seiner Auffälligkeit oft der Gesprächsöffner. Der Kaffee tut ein Übriges dazu. Männer, hat Petra Kohlhaas-Lindner (55) beobachtet, steigen oft über technische Fragen zu Ape und Kaffeemaschine in ein Gespräch ein, Frauen kommen direkter zum Thema.
"Da entwickeln sich recht häufig Gespräche, die haben schon einen seelsorglichen Charakter", sagt Kohlhaas-Lindner. Das sei manchmal wie ein moderner Beichtstuhl. Sie hält sich dabei zurück und wartet ab, ob jemand sich unterhalten möchte. Wichtig sei dafür, aktiv zuhören zu können. Angestoßen durch wenige Fragen und die lockere Atmosphäre, öffneten sich viele Kaffeegäste und berichteten auch von ihren privaten Problemen.
Am liebsten fährt Petra Kohlhaas-Lindner zur "ökumenischen Marktkirche". Hier bietet sich für die gelernte Bibliothekarin und Reiseverkehrskauffrau die Gelegenheit, über ihren Glauben zu reden. Katholisch aufgewachsen und freikirchlich geprägt, sagt sie heute: "Ich bin Christin - das genügt!" Sie freut sich, wenn ihre Gesprächspartner den Glauben als Hilfe in ihrem Leben erfahren können.
Aber es gibt auch die weniger angenehmen Gespräche. Das seien die, auf deren Nährboden die negative Prägung des Begriffs "Gutmensch" wachse. Wenn es ihr zu sehr in rechtes Gedankengut abgleitet, hält sie dagegen: "Manchmal gelingt auch der Einstieg in ein wirkliches Gespräch", sagt Kohlhaas-Lindner.
Von sich selbst würde Petra Kohlhaas-Lindner nicht behaupten wollen, ein Gutmensch zu sein: "Das klingt nach einem hohen Anspruch. Ich glaube nicht, dass ich die Schranke täglich reißen kann - und es hat auch den Beigeschmack von Naivität." Aber wenn sie damit ein Zeichen setzen könne, den Begriff gegen negative Vereinnahmung zu verteidigen, "soll es mir recht sein". Das Cafémobil, das viel Zeit auch in der Vor- und Nachbereitung braucht, ist nicht ihr einziges Ehrenamt. Im Kinderland hat sie schon gearbeitet, engagiert sich bei dem Gedenken an die Reichspogromnacht, und mit ihrem Trio spielt sie unter anderem in Gottesdiensten Klavier und Keyboard.
Die Zeit für ihr Ehrenamt findet Petra Kohlhaas-Lindner, weil sie "blockweise" bei verschiedenen Filmfestivals in der Organisation und der VIP-Betreuung arbeitet. Die Zeit dazwischen nutzt sie für ihre ehrenamtlichen Einsätze vor Ort. "Eigentlich ist es die gleiche Arbeit - nur mit anderen Mitteln. Jeder, der vor mir steht, ist ein VIP."
Das Cafémobil ist für Petra Kohlhaas-Lindner ein ideales Ehrenamt. Nicht nur dass sie selbst gerne Kaffee trinkt und es spannend findet, andere Menschen kennenzulernen, jetzt kann sie auch wieder ihren Vespa-Traum leben. Direkt nach der Führerscheinprüfung kaufte sie sich eine Vespa 200. Zehn Jahre später hat sie sie an einen Bekannten abgegeben, denn ihre kleinen Kinder ließen sich darauf nicht transportieren. Jetzt würde sie sich gerne wieder eine kaufen, eine "300er in Dunkelblau".