Wichtiger Schritt beim Zusammen-Wohnen
Die Bewohner organisieren ihre Mahlzeiten überwiegend selbst.Joachim Rieger
Das WKS-Modell des Niederländers Willem Kleine Schaars beinhaltet vor allem eine Haltung: Jeder Mensch ist gleichwertig und hat Ressourcen, unabhängig von dem, was als Behinderung bezeichnet wird. Jeder soll den Raum haben, seine persönlichen Ressourcen zu nutzen, nur auf Anfrage und bei "Unmöglichkeiten" greifen Betreuende ein und unterstützen.
Nach intensiven Schulungen der Mitarbeitenden bedeutete der erste Schritt bei der Umsetzung, Kontrolle und damit auch Macht abzugeben. Das heißt nicht, die Bewohner alleine zu lassen. Aufgabe der Mitarbeitenden ist es, in der Nähe zu sein, zu beobachten und, wenn nötig, zu unterstützen. Dazu brauchen sie ein gutes Reflexionsvermögen.
Die Vorbereitung und Organisation der Mahlzeiten oder das Herumführen von Gästen lagen bisher in der Verantwortung der Mitarbeitenden und werden mittlerweile von den Bewohnern übernommen. Wie gut das funktioniert, hat alle zunächst überrascht. Die Bewohner unterstützen sich gegenseitig, und jeder hat seine Aufgaben. Dadurch können sie ihre persönlichen Stärken im Zusammenleben einbringen.
"Ich finde es besser, dass wir so viel selber regeln, denn wir kennen uns besser aus als die Betreuer: Ist ja klar, wir wohnen ja hier! Ich weiß, dass Wolfram kein Schweinefleisch essen darf, aber nicht alle Betreuer wissen das", sagt Petra Beutel, Bewohnerin aus dem Wohnhaus St. Christophorus.
Wurde vorher zum Beispiel das Verhalten einer Bewohnerin während der gemeinsamen Mahlzeit von den Mitarbeitenden als Einmischung und störend empfunden, erfüllt es jetzt eine wichtige Funktion in der Gemeinschaft, weil es vielen Mitbewohnern hilft. Es wird als Stärke gesehen und im Zusammenleben positiv genutzt.
Die Umstellung auf das WKS-Modell war ein Prozess, für den Bewohner und Mitarbeiter gleichermaßen Raum und Zeit brauchten.
"Als Mitarbeiter muss ich meine eigenen Normen und Werte regelmäßig überprüfen. Muss ein Bewohner sein Zimmer so aufräumen, wie ich es von zu Hause kenne? Es ist schließlich sein Zuhause, da muss er die Möglichkeit haben, seine eigene Vorstellung zu verwirklichen", erklärt Dirk Blüchel, Mitarbeiter im Caritas-Wohnhaus St. Christophorus.
Die Atmosphäre in den Wohnhäusern hat sich verändert. Die Bewohner haben ein neues Selbstbewusstsein, fordern ihre Rechte ein und bringen immer wieder eigene Ideen ein. Und die Mitarbeitenden haben ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass das Wohnhaus das Zuhause der Bewohner ist und sie selbst auch Gäste - mit einem professionellen Auftrag.
Ulrike Falkenberg hat als Leiterin der Caritas-Wohnhäuser vor einigen Jahren die Veränderung angestoßen: "Die Umsetzung des WKS-Modells ist aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt zu mehr Inklusion, denn es vermittelt Gleichwertigkeit. Es entsteht eine Akzeptanz für die Individualität jeder Person", zieht sie Bilanz.