Die Teilhabeampel zeigt Gelb!
Mit Sorge musste in den letzten Jahren festgestellt werden, dass die bedarfsdeckende Versorgung von Menschen mit Behinderung - aufgrund finanzieller Rahmenbedingungen und nicht auskömmlicher Vergütungen für die Leistungen der Einrichtungen und Dienste - zunehmend gefährdet ist. Vor dem Hintergrund der beschlossenen finanziellen Entlastung der Kommunen durch den Bund kann von den Kommunen in NRW nun zu Recht erwartet werden, Sorge dafür zu tragen, dass die Landschaftsverbände ausreichend mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden, damit sie ihrem Auftrag als Leistungsträger für die Teilhabe-Leistungen im Bereich Wohnen und Arbeit angemessen nachkommen können.
Die finanziellen Mittel des Bundes sind dabei in vollem Umfang für die Kosten der Teilhabe-Leistungen einzusetzen. An die Landschaftsverbände ist die Erwartung zu richten, dass die gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben flächendeckend gesichert wird. Sie haben Sorge zu tragen für ausreichend wohnortnahe Wohn-, Beschäftigungs- und Betreuungsangebote. Es ist nicht akzeptabel, dass der Ausbau von Angeboten zum gemeinschaftlichen Wohnen oder erforderliche Werkstattplätze aufgrund finanzieller Aspekte "weggesteuert" werden. Zentral wird auch sein, ob es gelingt, das Wunsch- und Wahlrecht von Menschen mit Behinderung gesetzlich zu verankern und eine qualitativ gute, der Person gegenüber zu verantwortende Beratung vorzuhalten. Die Finanzierung dieser Beratung muss gesichert sein; Formen der Beratung (z. B. Peer-Beratung) und andere unterstützende Maßnahmen zur Umsetzung der Rechtsansprüche (individuelle rechtliche Beratung) sollten geprüft und erprobt werden.
Gesetzesänderungen bergen Chancen und Risiken. Im Bereich des heutigen stationären Wohnens liegt der neuralgische Punkt bei der zu begrüßenden Trennung von Fachleistung der Eingliederungshilfe von den Leistungen zum Lebensunterhalt. Die Gefahr, dass erforderliche Leistungen für eine umfassende Bedarfsdeckung nicht mehr finanziert werden, ist groß. Mit Hochdruck muss deshalb gefordert werden, dass eine unabhängige wissenschaftliche Organisation beauftragt wird, die Abgrenzungsverfahren aufzuarbeiten und zu klären. Langjährige Übergangsregelungen für heute stationäre Einrichtungen werden notwendig sein, um eine neue Finanzierungssystematik einzuführen. Hinweise zu einer möglichen Gestaltung einer personenorientierten Vergütungssystematik liegen aus einem Modellprojekt des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn vor.
Flexibilisierte Angebote zur Teilhabe am Arbeitsleben werden Auswirkungen haben auf die Beschäftigten in den Werkstätten, auf die wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten der Werkstätten und die damit verbundenen Arbeitsentgelte. Diese Auswirkungen müssen stärker in den Blick genommen werden und Anpassungen hinsichtlich Konzeptionen und Finanzierung geprüft werden. Wesentliche Stichworte sind hier: Wegfall des Kriteriums wirtschaftlich verwertbarer Arbeit, Grundlohn, Arbeitsförderungsgeld, Höhe der Erwerbsminderungsrente etc
Es lässt sich derzeit schwer abschätzen, wie sich die Gesetzesänderung auswirken wird. Neben einer kritischen Begleitung durch die Organisationen der Menschen mit Behinderung, deren Angehörige und die Fach- und Wohlfahrtsverbände braucht es auch ein gesetzlich verankertes Monitoring, eine Forderung die spätestens nach Vorliegen des Referentenentwurfes eingebracht werden sollte. Ein themenspezifisches Monitoring zum Beispiel in Bezug auf Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts, bedarfsdeckende Leistungsgewährung, Lösung von Schnittstellenproblemen zu anderen Leistungsgesetzen ständen der Caritas gut zu Gesichte.
Noch ist nicht klar, in welche Richtung die Ampel umspringen wird, von Gelb zu Grün oder von Gelb zu Rot. Ein Gelb im Dauerblinklicht wird aber nicht akzeptabel sein.