Große Reform
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat angekündigt, im Herbst 2015 einen Referentenentwurf vorzulegen. Die Verabschiedung des Gesetzes ist für Sommer 2016 geplant. Das Gesetz soll am 1. Januar 2017 in Kraft treten, wenn die Beratungen im Bundestag und Bundesrat rechtzeitig abgeschlossen werden. Da die finanzielle Entlastung der Kommunen vom Bundesteilhabegesetz inzwischen abgekoppelt wurde, wird sich die Reform auf bestimmte Kernpunkte konzentrieren, die im aktuellen Abschlussbericht des BMAS zum Beteiligungsverfahren vom 30. März 2015 wie folgt erörtert wurden:
1. Weiterentwicklung des Behinderungsbegriffs
Der leistungsberechtigte Personenkreis der Eingliederungshilfe soll durch eine Neudefinition des Behinderungsbegriffs bestimmt werden. Der Behinderungsbegriff im SGB IX soll neu UN-BRK-konform und ICF-orientiert angepasst werden. Für den Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe ist vorgesehen, "in einer zweiten Definitionsstufe" den Behinderungsbegriff in der Eingliederungshilfe - neu - im Sinne der "wesentlichen Teilhabeeinschränkung" anzupassen.
2. Neue Zuordnung der Leistungen der Eingliederungshilfe
Durch das Bundesteilhabegesetz soll die Eingliederungshilfe (EGH) aus dem "Fürsorgesystem" herausgelöst werden und Leistungen unabhängig von Wohnort und Wohnortform gewährt werden, d. h., die Fachleistungen der EGH sollen von Leistungen zum Lebensunterhalt getrennt bewilligt werden. Die konkrete Zuordnung von Leistungen und die Regelung über den "Mehraufwand" bzw. "Mehrbedarf" bei Leistungen zum Lebensunterhalt und Leistungen der EGH sind noch nicht geklärt.
3. Bundeseinheitliches Verfahren zur Bedarfsermittlung und -feststellung
Die Eingliederungshilfe soll sich künftig auf die Fachleistungen konzentrieren, die den Bedarf decken sollen. Der Bedarf soll in einem partizipativen und bundeseinheitlichen Verfahren ermittelt und festgestellt werden. Für das Verfahren sollen bundeseinheitliche Kriterien zur Verbesserung im Sinne der Leistungsberechtigten eingeführt werden. Die Instrumente zur Bedarfsermittlung und -feststellung bleiben weiterhin unterschiedlich.
4. Flexibilisierung der Angebote zur Teilhabe am Arbeitsleben
Künftig soll die Teilhabe am Arbeitsleben auch bei "anderen Leistungsanbietern" sowie im Rahmen des "Budgets für Arbeit" mit einer Rückkehroption in die Werkstatt ermöglicht werden.
5. Neue Regelungen im Vertragsrecht/Leistungserbringerrecht
Die Position der Leistungsberechtigten soll verbessert werden. Das Vertragsrecht soll sich auf die Fachleistungen beziehen. Die Leistungserbringung im sozialrechtlichen Dreieck soll beibehalten werden. Gleichzeitig soll die Steuerungsfunktion der Leistungsträger gestärkt werden, z. B. Durchführung von Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfungen, Kürzung der Vergütung als Folge von Verletzung von vertraglichen und/oder gesetzlichen Pflichten (und ggf. Einführung einer jährlichen Berichtspflicht).
6. Prüfung der Möglichkeiten unabhängiger Beratung
Ein erhöhter Bedarf an Beratung und die Notwendigkeit von Qualitätsstandards für Beratungsleistungen werden bestätigt. Die Schaffung eines unabhängigen Beratungsangebotes (z. B. auch durch Peer Counseling) wird geprüft.
7. Überprüfung der Einkommens- und Vermögensanrechnung
Die Bedürftigkeitsprüfung von Leistungen der Eingliederungshilfe wird als "schrittweises Vorgehen" (z. B. durch Erhöhung des bisherigen Freibetrages) geprüft.
8. Offene Punkte sind weiterhin:
- Die "Große Lösung" für Leistungen für Kinder mit Behinderung im SGB VIII, die in der Zwischenzeit als Reform des SGBVIII vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als "inklusive Lösung" verfolgt wird.
- Aufhebung der Schnittstelle zwischen der Pflege und der Eingliederungshilfe sowie die Klärung der häuslichen Krankenpflege in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Der CBP hat einen offenen Brief an Bundesminister Hermann Gröhe (CDU) zu dieser Thematik verschickt.
Für alle Regelungen gilt, dass "die Neuorganisation der Ausgestaltung der Teilhabe zugunsten der Menschen mit Behinderung so geregelt wird, dass daraus keine neue Ausgabendynamik entsteht", wie es im Abschlussbericht wörtlich heißt.
Der Bundesverband Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP) hat umfassend zu Bedarfsermittlungsverfahren, zu Teilhabe am Arbeitsleben, zum Leistungserbringerrecht und zum Abschluss des Beteiligungsverfahrens zum Bundesteilhabegesetz Stellung genommen. Alle Stellungnahmen können unter www.diefachverbaende.de eingesehen werden.