Wo der Goldrausch das Paradies bedroht
Ein Mädchen im Dorf Boca Pariamanu lugt hinter einem Kastanienast hervor.Foto: Carolin Kronenburg
Die Kinder rennen einfach hinein in den dichten Wald, ohne Angst vor Schlangen oder anderem Getier. Sie kennen sich aus, der Dschungel ist ihr Zuhause. Ein Junge hat sich eine Kakaofrucht aufgebrochen und lutscht an den weißen Samen. Jane del Castillo zeigt auf die Bäume und Pflanzen und erklärt ihre Wirkung: diese Blätter für den Magen, diese dort gegen Entzündungen.
Ein Paradies? Man könnte es fast meinen. Doch die triste Ödnis ist nicht weit.
Die indigene Gemeinschaft von Boca Pariamanu lebt abgeschieden am Río Las Piedras in der Region Madre de Dios im Süden von Peru. Um die 150 Menschen gehören zu dem Dorf, mehr Kinder als Erwachsene. Jane del Castillo ist so etwas wie die Schamanin der Gemeinschaft, sie kümmert sich um die Gärten mit Heil- und Nutzpflanzen. Und sie führt Besucherinnen und Besucher herum.
Hüterin des Regenwaldes: Jane del CastilloFoto: Carolin Kronenburg
Denn die Gemeinschaft der Amahuaca hat sich entschieden, ihr Dorf für Gäste zu öffnen. Wer den Weg per Boot über den Río Madre de Dios und seinen Nebenfluss auf sich nimmt, kann in und um Boca Pariamanu sehr naturnahen Urlaub machen. Es sind ein paar Wanderwege ausgeschildert, die Amahuaca bieten typisches Essen und einfache Schlafgelegenheiten an.
Es geht um die Zukunft, sagt Nadia Pacaya Grifa, die Präsidentin der Gemeinschaft. Mit der Produktion von besonderen Esskastanien und anderen Früchten, ein bisschen Kunsthandwerk und dem sanften Tourismus will sie dem Dorf das Auskommen sichern. Und damit den Kindern, die hierbleiben wollen und nicht abwandern müssen in die großen Städte wie so viele indigene Menschen in Peru. Caritas international unterstützt das Dorf bei dem Wandel, der das Überleben sichern soll. Auch vor dem Raubbau, der immer näher rückt.
Bedrohte Völker im Amazonas-Gebiet
Mehr als 50 indigene Völker gibt es noch im peruanischen Amazonas-Gebiet, und alle sind sie bedroht. Denn ihre Lebensgrundlage ist der Regenwald. Da ist der Klimawandel einerseits, aber vor allem wird abgeholzt. Teils wegen der exotischen Hölzer, die sich teuer verkaufen lassen, noch mehr aber für den Goldabbau. Und die Schürfer rücken immer weiter vor in die Gebiete der Indigenen.
Anwalt und Aktivist: César BazánFoto: Carolin Kronenburg
"Das Territorium ist unsere indigene Identität", sagt Alfredo Vargas Pio, der Präsident von Fenamad, einem Bündnis der indigenen Amazonas-Völker. Gehe das Gebiet verloren, gehe auch die Identität verloren. Unterstützung bekommen die indigenen Gemeinschaften vor allem aus dem Ausland, auch von der Caritas, die peruanische Regierung jedoch verwehrt den Ureinwohnern ihre Rechte.
Ihr Land ist nirgendwo offiziell registriert. Abkommen zum Schutz der indigenen Völker gibt es zwar, sie werden vom Staat aber oftmals ignoriert. Noch schwieriger könnte die Lage werden, wenn das sogenannte APCI-Gesetz umgesetzt wird, das internationale Geldgeber, also auch Hilfsorganisationen, unter eine Art Zensur des Staates stellen soll. Dann dürfte im Extremfall kein Projekt mehr, das mit ausländischem Geld gefördert wird, ohne die Erlaubnis der Regierung starten.
Das erklärt César Bazán, Anwalt und Menschenrechtsaktivist, der an der katholischen Universität Peru lehrt. Die Demokratie in Peru sei keine Demokratie mehr, sagt er. Präsidentin Dina Boluarte steckt tief in Korruptionsaffären - und alle noch lebenden Ex-Präsidenten Perus sitzen im Gefängnis.
Zerstörerisches Geschäft
Vom Parlament haben die indigenen Völker nicht viel zu erwarten. Es ist in Kleinstparteien zersplittert, die Indigenen haben dort keine Vertretung, obwohl sie etwa ein Viertel der Bevölkerung Perus ausmachen. Das führt auch dazu, dass Gesetze erlassen werden, die die Ausbeutung des Regenwaldes erleichtern.
Besonders eindrucksvoll zeigt sich das in La Pampa, dem Zentrum des illegalen Goldabbaus in Peru. Seit gut 20 Jahren entwickelt sich der illegale Goldabbau zu einem ebenso lukrativen wie zerstörerischen Geschäft. "Die Kurve des internationalen Goldpreises geht fast parallel zur Kurve der Regenwald-Verluste in der Region", sagt der Biologe César Ascorra vom Centro de Innovación Científica Amazónica (Cincia). Die illegalen Goldexporte aus Peru sind bereits 2024 auf einen Wert von 6,8 Milliarden Dollar gestiegen, 41 Prozent mehr als 2023, sagt er. 30 000 illegale Goldminen soll es im ganzen Land geben. Zwischen 2021 und 2024, so rechnet Cincia vor, wurden in der südlichen Amazonas-Region Perus 30 846 Hektar Regenwald vernichtet.
Das große Problem des Goldrausches ist, dass die Schürfer Quecksilber verwenden, um das wertvolle Metall aus Schlamm und Gestein zu holen. Das giftige Quecksilber gelangt in die Flüsse und lagert sich in Tieren und Pflanzen ab - und letztendlich in den Menschen, die sich in der Gegend viel von Fisch ernähren.
Boca Pariamanu ist nur mit dem Boot über den Las-Piedras-Fluss zu erreichen.Foto: Carolin Kronenburg
Das habe schwere Gesundheitsschäden zur Folge, aber darüber werde nicht gesprochen, sagt Biologe Ascorra. Seine Organisation beobachtet und dokumentiert den Raubbau und versucht, durch Wiederaufforstung den Kahlschlag zu lindern. Ein nahezu aussichtsloses Unterfangen, in dem Gebiet ist vom Regenwald nicht viel mehr übrig als eine braune Schlamm- und Sandwüste. Das bleibt zurück, wenn die Goldschürfer weiterziehen auf der Suche nach dem großen Glück.
"Kolonialismus der Macht"
Die Goldschürfer sind selbst oft arme Menschen, viele Indigene aus den Anden, die ihre Heimat verlassen, weil sie dort keine Zukunft haben. Das große Geld machen andere.
César Bazán, der Menschenrechtsaktivist, spricht von einem "Kolonialismus der Macht". Denn die illegale Rodung des Regenwaldes für den Goldabbau sei nicht allein das Problem Perus. Das allermeiste Gold wird in den Globalen Norden exportiert, wo die meisten Menschen nicht so genau wissen wollen, unter welchen Umständen der Rohstoff für ihren Schmuck gewonnen wird.
Durch das illegale Goldschürfen entstehen Wüstenlandschaften mitten im Regenwald.
"Das ist ein internationales Thema, das muss auch international gelöst werden", sagt auch Mariano Castro, früherer Vize-Umweltminister von Peru. Er nennt es eine "Minero-Pandemie", die sich immer weiter ausbreitet. Und noch befördert wird, weil die Mineros, also jene, die mit dem Goldschürfen Geld gemacht haben, inzwischen selbst in der Politik sind. Ohne internationale Abkommen, sagt Castro, werde der Raubbau nicht zu stoppen sein.
Und dann wird er grundsätzlich. "Wofür braucht man Gold überhaupt?”, fragt er. Den Regenwald jedoch, den brauchen nicht nur die Menschen von Boca Pariamanu und all die anderen indigenen Völker. Den Regenwald braucht die ganze Welt.
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