Eine Freude, die uns auf- und herausfordert
Anna Kohlwey ist Fachreferentin für theologische Grundsatzfragen in der Geschäftsstelle des Caritasverbandes für das Bistum Aachen.Foto: Privat
Wer das Evangelium hört, hört eine Zumutung - und eine Verheißung. Denn mitten in dieser Welt, die von Angst, Spaltung und Erschöpfung geprägt ist, sagt es: Es gibt Grund zur Freude.
Nicht zur naiven Fröhlichkeit. Sondern zu einer Freude, die aus der Tiefe kommt. Aus dem Vertrauen, dass diese Welt - so verletzlich sie ist - von Gott gehalten wird. Dass wir nicht allein sind - dass sich das Ende dadurch definiert, dass alles gut ist.
Der Blick des Evangeliums ist realistisch. Es kennt die Wunden der Welt, den Schmerz und die Not jedes Einzelnen. Aber es bleibt nicht dabei stehen. Es sieht weiter - auf das, was werden kann. Und: auf das, was wir beitragen können.
Denn Christsein heißt nicht, stiller, abwartender (Hoffnungs-)Konsument einer Botschaft und Religion zu sein. Christsein heißt, selbst zum Zeichen zu werden: für Hoffnung, für Verbundenheit und Frieden - für einen Gott, der das Leben und die gesamte Schöpfung in ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit liebt.
Diese Freude will konkret werden: im Hinsehen, im Dienen, im Teilen. Im alltäglichen Leben wächst, wo wir Verantwortung übernehmen, die Stärke der Schwächeren, die Gemeinschaft und damit: die Freude.
Wo Christinnen und Christen Freude weitergeben, wird das Evangelium sichtbar: im achtsamen Umgang mit der Schöpfung, in einer Politik des Hinschauens und Verstehens, im Mut zu Nähe und Solidarität. Diakonisches Handeln wird so zur Verkündigung der Freude mit Händen und Füßen.
Wer sich vom Evangelium berühren lässt, wird nicht abgehoben - sondern umso mehr verwurzelt: im Alltag und in der Welt. So wird das Evangelium, diese auffordernde Freude, zum leisen Widerstand gegen Resignation.
Gott selbst wird zur Quelle und zum Ziel unserer Hoffnung, wenn wir beginnen, die Freude weiterzugeben, die Jesus selbst uns ganz konkret vorgelebt hat. Und wenn wir Ernst machen mit der Freude, beweisen wir im Tun: Diese Welt ist nicht verloren. Sie ist uns geschenkt - im Kleinen und Großen.