Mit Sport zusammenwachsen
Während eines mehrtägigen Radrennens über die Alpen ist mir das eindrücklich bewusst geworden. Da ging es nicht nur darum, Höhenmeter zu bewältigen, sondern auch darum, im Team zusammenzuwachsen, sich gegenseitig zu motivieren und auf schwierigen Abschnitten füreinander da zu sein.
Diese und ähnliche Erfahrungen zeigen: Sport verbindet. Er schafft Gemeinschaft, auch dort, wo im Alltag oft Grenzen spürbar sind - zwischen Generationen, sozialen Milieus, Nationalitäten oder eben auch zwischen Menschen mit und ohne Behinderung. Sport macht sichtbar, was zusammen möglich ist - unabhängig von körperlichen oder geistigen Voraussetzungen.
Ein großartiges Beispiel dafür sind die Special Olympics, die weltweit größte inklusive Sportbewegung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Wer einmal eine solche Veranstaltung besucht hat, vergisst sie nicht so schnell: die Power der Athletinnen und Athleten, ihre Konzentration, ihren Stolz, die Freude. Und das faire Miteinander, das diesen Sport ganz besonders auszeichnet. Hier geht es nicht um Weltrekorde - es geht um Teilhabe, Würde und das Erleben von Selbstwirksamkeit. Es geht darum, gesehen zu werden, zu zeigen, was Sport alles bewegen kann, und sich als Teil der Gesellschaft zu fühlen. Vor, aber auch hinter den Kulissen, als Volunteers mit und ohne Behinderung.
Sport als Türöffner für Vertrauen und Teilhabe
Was mich besonders bewegt: Die Special Olympics machen nicht nur die Leistungen der Sportlerinnen und Sportler sichtbar - sie verändern auch die Haltung der Zuschauerinnen und Zuschauer. Wer hier zuschaut, sieht nicht Defizite, sondern Potenziale. Nicht Schwächen, sondern Stärken. Genau das ist der Kern von Inklusion: dass Menschen mit Beeinträchtigungen nicht nur "dabei sein dürfen", sondern als gleichwertige Akteure anerkannt und geschätzt werden. Nicht am Rand, sondern mittendrin.
Auch wir als Caritas in Nordrhein-Westfalen haben die Aufgabe - und die Chance -, diesen inklusiven Gedanken im Sport zu fördern. Viele unserer Einrichtungen engagieren sich bereits in diesem Bereich: In unseren Werkstätten und Wohngruppen gibt es sportliche Angebote, in Kitas wird Bewegung spielerisch erlebbar gemacht, in der Jugendhilfe wird Fußball zum Türöffner für Vertrauen und Teilhabe. Immer häufiger entstehen dabei auch Kooperationen mit lokalen Sportvereinen - eine Entwicklung, die wir als Verband ausdrücklich unterstützen und weiter ausbauen sollten.
Denn: Inklusion ist keine Einzeldisziplin. Sie gelingt nur im Zusammenspiel - zwischen sozialen Trägern, Kommunen, Bildungseinrichtungen und eben auch dem organisierten Sport. Es braucht offene Strukturen, barrierefreie Sportstätten, verständliche Informationen, qualifizierte Übungsleiterinnen und Übungsleiter. Aber vor allem braucht es eine Haltung: die Überzeugung, dass Vielfalt den Sport bereichert - und unsere Gesellschaft gleich mit.
Ich wünsche mir, dass wir als Caritas noch stärker sichtbar machen, wie Sport leidenschaftlich zusammenwachsen lässt und Brücken baut. Dass wir jungen Menschen mit Beeinträchtigung Mut machen, sich auszuprobieren. Dass wir Mitarbeitende ermutigen, selbst aktiv zu werden - nicht nur als Organisatoren, sondern auch als Teilnehmende. Und dass wir gemeinsam daran arbeiten, dass Inklusion nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt unseres Handelns wird.
Sport hat mich gelehrt, dass wir oft mehr schaffen, als wir zunächst glauben. Dass man mit Vertrauen in sich und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter Herausforderungen meistern kann, wenn das Ziel klar bleibt. Und dass die größte Motivation oft aus der Gemeinschaft kommt.
In diesem Sinne: Lassen wir uns inspirieren - von den Athletinnen und Athleten der Special Olympics. Und von der Kraft, die im gemeinsamen Sporttreiben steckt. Für eine Gesellschaft, in der alle mitmachen dürfen. Und mit Stolz dabei sind.