Raus aus dem Hamsterrad
Eine Kur für pflegende Angehörige hat Maria Köntopp geholfen, wieder Stabilität in ihren Alltag zu bekommen.Foto: Markus Jonas
Ich wusste, ich kann eigentlich nicht mehr, wusste aber auch nicht, wie ich da rauskommen sollte", erinnert sich die 70-Jährige an das Gefühl, in einem Hamsterrad zu stecken. Erst eine dreiwöchige Kur für pflegende Angehörige im Weserbergland verschaffte ihr die ersehnte Atempause - und brachte ihr seelische Stärke zurück.
Dauerbelastung Pflege
Maria Köntopp pflegt seit Jahren ihre Eltern. Der Vater, zuletzt mit Pflegegrad 5, starb vor einem Jahr mit 99 Jahren; die Mutter, ebenfalls 99, wird weiter zu Hause versorgt. "Manchmal musste ich dreimal täglich hin, mindestens aber zweimal", erzählt Maria Köntopp. Eine ihrer Töchter betreut zwei Kleinkinder. "Da kommt schnell alles zusammen - und man selbst bleibt auf der Strecke", sagt sie. "Ohne meine älteste Tochter, die zum Glück im selben Haus wie meine Mutter wohnt, hätte ich es gar nicht geschafft." Als der Vater nachts nicht mehr schlief und häufig stürzte, brachten Sorge und Schlafmangel die Familie an die Grenze.
Die Folgen der Dauerbelastung zeigten sich drastisch: "Jemand sagte mir etwas, ich drehte mich um, und schon war es weg", beschreibt Maria Köntopp ihre Erschöpfung. Ihr Mann und die Hausärztin rieten zur Kur. "Eine Kurberaterin sagte mir gleich: Sie kriegen eine Kur. Man hat als pflegender Angehöriger Anspruch darauf."
Drei Wochen Abstand
Maria Köntopp reiste nach Bad Karlshafen, die beiden Töchter und ihr Mann übernahmen die Versorgung der Mutter. Das Konzept der Klinik: kombinierte physio- und psychotherapeutische Maßnahmen, spezielle Gesprächsgruppen für pflegende Angehörige, Entspannungs- und Bewegungsangebote. "Das Thermalbad war ein Traum, die Wassergymnastik tat gut, und in der Gruppe merkte ich, dass ich nicht allein bin", sagt sie. Auch das Fitnessstudio, Moorpackungen und Ernährungsberatung halfen, neue Routinen einzuüben. Und wenn sie freihatte, machte Maria Köntopp Radtouren entlang der Weser, Wanderungen oder einen Tagesausflug. "Bewegung war mein Ventil", sagt sie.
Schon nach wenigen Tagen merkte Maria Köntopp, dass die Anspannung wich. Nach drei Wochen kehrte sie mit anderthalb Kilo mehr Gewicht, aber deutlich weniger seelischer Last heim. "Das war einfach nur wunderbar."
Messbarer Effekt auf die Psyche
In der Kur lernte sie, kleine Oasen in den Alltag einzubauen. Heute setzt sie Tipps aus der Physiotherapie und dem Fitnessstudio zu Hause um, nutzt Entspannungstechniken, achtet auf ausgewogene Ernährung und findet wieder Zeit für ihre Hobbys: ihre Nähmaschine und das Singen im Chor.
Maria Köntopp hat mit der Kur ihren psychischen Akku aufgeladen. "Diese extreme Stresssituation hat sich gelöst", sagt sie. Der Pflegealltag mit der Mutter verlangt weiterhin Zeit und Kraft, "aber jetzt schaffe ich das, ohne mich selbst zu verlieren".
Gesetzlicher Anspruch
Wer eine Kur als pflegender Angehöriger beantragen möchte, kann sich bei den Beratungsstellen der Caritas oder direkt bei seiner Krankenkasse informieren. Die Kur umfasst in der Regel drei Wochen und kann alle vier Jahre erneut in Anspruch genommen werden.
Mehr Informationen:
www.caritas-paderborn.de/beraten-helfen/gesundheit/kur-und-erholungshilfen
www.pflegewegweiser-nrw.de/uebersicht-kur