Mehr als "gut versorgt"
Diese Form der Ganztagsbetreuung - offen deswegen, weil sie ein Angebot ist und im Unterschied zur Ganztagsschule nicht verpflichtend ist - wird in NRW meist durch freie Träger vorgehalten. Im Jahr 2022 besuchten ca. 48548 Kinder an etwa 461 Schulen in NRW eine Einrichtung des Offenen Ganztags in katholischer Trägerschaft. Die Fachberatung für diese Träger übernehmen die Diözesan-Caritasverbände der fünf Bistümer in NRW.
Da viele der Träger die Ganztagsbetreuung großflächig anbieten, arbeiten sie dann mit mehreren Kommunen zusammen. Das hat zum Teil erhebliche Unterschiede bei der Ausgestaltung des OGS-Angebotes zur Folge. Wie gut die einzelne OGS finanziell aufgestellt ist, hängt von den jeweiligen Finanzierungbedingungen ab. So stellen einige Kommunen die Elternbeiträge den Trägern zur Verfügung, andere nicht.
Aber auch über die Finanzierung hinaus unterscheiden sich die Bedingungen, unter denen Kinder nach dem Unterricht betreut werden, erheblich. Manchen OGS stehen eigene Räumlichkeiten zur Verfügung, andere nutzen die Klassenräume. Manche haben ein Außengelände, anderen steht kaum eine Fläche im Außenbereich zur Verfügung. Manche sind im ländlichen Bereich, andere mitten in der Stadt. Manche sind in Brennpunktgebieten angesiedelt, andere nicht. Es gibt Angebote im Offenen Ganztag, die digital arbeiten können. Andere OGS haben nicht einmal WLAN zur Verfügung. Auch die personelle Ausstattung ist sehr unterschiedlich.
Die OGS kompensiert manchmal Erziehungsdefizite der Eltern
Mit der Offenen Ganztagsschule in NRW verfolgt die Landesregierung das Ziel, Ganztagsschulen und außerunterrichtliche Ganztags- und Betreuungsangebote zu einem attraktiven, qualitativ hochwertigen und umfassenden örtlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsangebot auszubauen - orientiert am jeweiligen Bedarf der Kinder und ihrer Eltern. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund, dass nicht alle Familien die Entwicklung ihres Kindes aus eigener Kraft in der notwendigen Weise fördern können. Wegen einer Berufstätigkeit beider Elternteile oder bei Alleinerziehenden wären viele Kinder ohne das Angebot des Offenen Ganztags auf sich allein gestellt, nämlich dann, wenn keine Großeltern oder andere Bezugspersonen in der Nähe sind, die bei der Betreuung einspringen können. Laut ministerialem Runderlass sollen die individuelle ganzheitliche Bildung von Kindern und Jugendlichen, die Entwicklung ihrer Persönlichkeit, der Selbst- und Sozialkompetenzen, ihrer Fähigkeiten, Talente, Fertigkeiten und ihr Wissenserwerb systematisch gestärkt werden. In allen Landesteilen soll eine möglichst vergleichbare Qualität sichergestellt werden.
Der Anspruch an die Ganztagsbetreuung geht weit darüber hinaus, dass Eltern ihre Kinder "gut versorgt" wissen. Vielmehr hat der Offene Ganztag den Auftrag, die Kinder sowohl schulisch als auch in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern, ihre Sozialkompetenz zu erweitern, es geht um die Ermöglichung von formalem und non-formalem Lernen. Außerdem soll der jeweilige Sozialraum einbezogen werden. Den Mitarbeitenden im Offenen Ganztag fällt somit nicht nur ein Betreuungs-, sondern vor allem ein Bildungs- und Erziehungsauftrag zu. Sie müssen individuell auf jedes Kind eingehen, seine Bedürfnisse im Blick haben und auch die Wünsche der Eltern einbeziehen. Schule wird hier zum Lebensraum der Kinder.
Ab 2026 besteht ein Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz
Beginnend mit dem Schuljahr 2026/2027, soll es den Rechtsanspruch im Offenen Ganztag geben. Für Kinder, die ab Sommer 2026 eingeschult werden, soll somit rechtsverbindlich ein Platz im Offenen Ganztag zur Verfügung stehen. Ab dem Schuljahr 2029/2030 haben dann alle Kinder einer Grundschule Anspruch auf ganztägige Förderung. Damit soll die Betreuungslücke nach der Kita geschlossen werden, und Kinder sollen auch mit der Einschulung weiter eine ganztägige Betreuung und Förderung in Anspruch nehmen können.
Die Ausgestaltung und Förderung der OGS-Angebote sind derzeit jedoch so unterschiedlich, dass das System vor der großen Herausforderung steht, bis zum anstehenden Rechtsanspruch ab dem Schuljahr 2026/2027 Bedingungen zu schaffen, die es jedem Kind ermöglichen, im Sinne der vom Land NRW entwickelten Standards im Offenen Ganztag betreut und gefördert zu werden.
Nachdem der Rechtsanspruch auf eine ganztägige Betreuung und Förderung von Kindern im Grundschulalter bundesgesetzlich verankert wurde, müssen nun die Länder den qualitativen Rahmen für die Ganztagsangebote festlegen. Im Oktober 2023 hat die Kultusministerkonferenz (KMK) Empfehlungen zur Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität der Ganztagsschule sowie weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Grundschulkinder beschlossen. Eine adäquate Raumgestaltung, ein gesundes Mittagessen, die partizipative Ausgestaltung des Ganztags sowie die Bedeutung von Wohlbefinden und positiven Beziehungen sind wichtige Elemente. Ein erweiterter Zeitrahmen der ganztägigen Betreuung mit seinen zusätzlichen pädagogischen Bildungs- und Betreuungsangeboten soll Kindern erweiterte Lernchancen bieten. Bei seiner Ausgestaltung sollen die Bedürfnisse und die Interessen der Kinder "handlungsleitend sein". Auch die gemeinsame Verantwortung von allen Akteuren wird hier betont.
Nach Abschluss eines Dialogprozesses mit verschiedenen Partnern und Partnerinnen im Ganztag wird derzeit ein von der Caritas in NRW mit Spannung erwarteter Referentenentwurf zu einem Ausführungsgesetz für den Offenen Ganztag erstellt.
Attraktiv, qualitativ hochwertig, umfassend, die individuelle ganzheitliche Bildung von Kindern und Jugendlichen berücksichtigend, das sind die Qualitätsansprüche des Landes NRW an die OGS, die sich an den Bedarfen der Kinder und ihrer Eltern orientieren. Andernfalls bleiben Kinder und Eltern auf der Strecke.
An erster Stelle steht das Wohl von Kindern und ihren Familien. Daneben kann es sich eine Gesellschaft in Zeiten des demografischen Wandels nicht leisten, Entwicklungs- und Bildungschancen zu verpassen, weil sie es nicht schafft, Betreuungsplätze in ausreichendem Maße zu schaffen.