Würde und Stolz erhalten
Wenn es um Pflegepolitik geht, wird Hedwig Deppe energisch. Statt über die Köpfe der Pflege-Profis hinweg zu entscheiden, sollten die politischen Entscheider sich lieber bei Pflegekräften aus der Praxis aus erster Hand über die Arbeitsbedingungen informieren lassen, meint die Pflegedienstleiterin des Katholischen Altenzentrums St. Josefshaus in Witten-Herbede. Einerseits wünscht Deppe sich Kolleginnen und Kollegen mit dem Herzen am rechten Fleck und hohen Qualitätsansprüchen an die eigene Tätigkeit. Andererseits erwartet sie von der Politik handfeste Bemühungen darum, die Bedingungen des Pflegeberufes attraktiver zu machen, damit auch junge Eltern oder ältere Arbeitnehmer in diesem Beruf glücklich werden können: etwa durch die Möglichkeit rücksichtsvoller Personalplanung, flexible Arbeitszeiten und entzerrte Wochenenddienste. Vor allem aber, so Deppe, brauchten Pflegekräfte mehr Zeit für das, was ihre Arbeit empathisch und befriedigend mache: Zeit für aktivierende Pflege etwa und planbare Zeit für Gespräche mit Bewohnern und Angehörigen.
Hedwig Deppe weiß, wovon sie spricht. Vor 27 Jahren hat sie sich für ihren Beruf entschieden und ist mit wachsender Begeisterung rasch aufgestiegen zur Wohnbereichsleitung, zur Fachkraft für Gerontopsychiatrie und Palliativpflege bis hin zur Pflegedienstleitung. Das Wittener St. Josefshaus bietet 80 stationäre Plätze und hat sein Angebot kürzlich um einen ambulanten Pflegedienst ergänzt.
Dass Altenpflegeheime in den Medien oft als letzte Station dargestellt werden, an der man resigniert auf das Sterben wartet, ärgert Deppe als engagierte Fachfrau. Aus ihrer Sicht wird in den Häusern ein Stück Lebenszeit gestaltet, unabhängig davon, ob ein Mensch noch leistungsfähig ist, ob der Tod schon nah oder noch fern ist: "Jeder soll hier mit Würde und Stolz wohnen können, auch wenn er alt und gebrechlich ist und vielleicht Pflege braucht, die seine bisherigen Schamgrenzen überschreitet", ist Deppes Anspruch, "die Menschen schenken uns großes Vertrauen. Das dürfen wir nicht enttäuschen."
Besonders hat es ihr eine Aufgabe angetan, vor der viele andere zurückschrecken: die Sorge für demenzkranke Senioren, die besonders viel Einfühlung brauchen. "Wenn ich erspürt habe, was ein demenzkranker Mensch braucht, der sich nicht mehr äußern kann, und ich zum Dank sein Lächeln bekomme - das ist das Schöne am Pflegeberuf." Für diese unscheinbaren, aber hochwichtigen Aufgaben brauche man nicht unbedingt eine Ausbildung zur Pflegefachkraft; eine Helferqualifikation reiche, der Nutzen sei immens und die Freude an den Erfolgen des eigenen Tuns auch: "Mit freundlicher Zuwendung und Akzeptanz erreichen wir beim Demenzkranken, was Tabletten nicht bewirken können."